Wenn hohe Tiere reisen

Wer viel Kontakt mit in Hanoi arbeitenden Ausländern hat, der wird regelmäßig das große gemeinsame Kopfschütteln beobachten, wenn es um Geschäftsreisen geht. Geschäftsreisen für die vietnamesischen Partner, wohlgemerkt. Die Situation in Vietnam ist derzeit noch so, dass kein vietnamesischer Manager oder Organisationsleiter sich groß um seine eigenen Geschäftsreisen kümmern müsste – früher oder später bekommt er eine angeboten. Von einem Partnerunternehmen aus einem Industrieland. Oder einer Botschaft, oder einer internationalen Organisation, einem „Geldgeber“, wie es in der Entwicklungszusammenarbeit heißt.

Denn Vietnam ist Entwicklungsland, soll gefördert werden, und um Menschen zu fördern, muss man ihnen ja zeigen, wie’s geht. Oder zumindest: Wie es andere machen. Also dürfen Bankdirektoren, Unternehmensbosse oder Projektleiter reisen.

Das tun sie natürlich sehr gerne. Wer nicht? Sie tun das so gerne, dass sie normalerweise gleich danach fragen, bitte noch ihre Unter-Chefs mitnehmen zu dürfen. Und deren Unter-Chefs. Und die Unter-Chefs der Unter-Chefs der Unter-Chefs. Statt einer Dienstreise darf der ausländische Geldgeber dann fünf bezahlen. Oder sechs, oder sieben, oder zwanzig. Wenn er sich darauf einlässt. Meistens wird gefeilscht, und am Ende einigt man sich irgendwo in der Mitte.

Das sorgt bisweilen für Unmut, vor allem wenn es sich um eine Organisation handelt, die vielleicht ihr Budget vor dem Steuerzahler rechtfertigen muss. Und es hinterlässt bei vielen Ausländern den Eindruck, vietnamesische „hohe Tiere“ seien äußerst gierig.

Das stimmt auch, teilweise. Es gibt Geschichten von Geschäftsreisen, da feilschen die eingeladenen vietnamesischen Gäste auch gleich noch um das Tagegeld, obwohl, oder gerade weil dieses Tagegeld um ein zigfaches ihr normales Gehalt übersteigt. Selbst Bankdirektoren verdienen nämlich im internationalen Vergleich erbärmlich. Einer der Gründe für Korruption, aber das Thema führt dann hier zu weit.

Es gibt aber noch einen zweiten Grund, und da würde man den Vietnamesen unrecht tun, wenn man Gier unterstellt: Vietnamesen sind nicht gerne alleine.

Was das heißt? Das heißt, dass der oberste Geschäftsführer, wenn er auf Reisen geht, ein Doppelzimmer im Hotel bestellt, weil er seinen untersten Geschäftsführer gerne bei sich im Zimmer hat. Nein, nicht die Sekretärin, sondern den ganz normalen unteren Geschäftsführer. Zum Plaudern. Und damit man nicht alleine einschlafen muss. Das ist man nämlich nicht gewohnt. Dann gibt es noch die, die mindestens einen jüngeren Mitarbeiter mitnehmen müssen, damit wenigstens einer in der Gruppe Englisch spricht. (Was immer praktisch ist. Für die Geschäftstermine, und damit man in den Berliner Kaufhäusern auch die Preisschilder lesen kann.)

Wenn man das alles zusammenzählt, kommt man schon schnell auf fünf, sechs Leute. Oder zwanzig. Kein Vietnamese käme auf die Idee, dass alleine reisen irgendwie Spaß machen könnte. Da würde man lieber im Land bleiben, und nicht reisen.

Das wird sich wohl alles auch erst dann ändern, wenn die Manager ihre Geschäftsreisen komplett selbst bezahlen müssen. Spätestens dann könnte es natürlich dem einen oder anderen auffallen, dass zwanzig Reisende etwas mehr kosten, als einer allein.

2 Responses to Wenn hohe Tiere reisen

  1. m says:

    In Deutschland ansässige vietnamesische Firmen laden sich gar nicht gern Geschäftspartner aus Vietnam ein, sondern reisen lieber selbst dorthin, um ihre Geschäftspartner zu treffen. Der Grund: Viele Frauen der Geschäftsinhaber in Deutschland mögen keine Geschäftspartner aus Hanoi.
    Als die noch kamen, haben sie sich bei ihren Geschäftspartnern in Deutschland eingemietet, um die unvorstellbar teuren Hotelkosten zu sparen. Die Frauen mussten den reichen Hanoiern die Socken waschen und für sie kochen. Die Kinder mussten ihr Kinderzimmer abtreten und irgendwo auf dem Fußboden campieren.
    Und in gar nicht so seltenen Fällen mussten die Männer, also die vietnamesischen Geschäftspartner in Deutschland, ihre Gäste nicht nur in so teure Restaurants einladen, in die sie selbst nie gehen würden, sondern sie auch noch ins Bordell begleiten. Irgendwie scheint bei Managern in Vietnam ein Bordell zum Deutschlandbild dazuzugehören. Und weil sich dort auf Vietnamesisch keine Preisabsprachen treffen lassen und Firmenchefs in der ersten Generation selten Fremdsprachen sprechen, muss jemand zum Übersetzen mitkommen. Bei vielen vietnamesischen Ehefrauen lösen deshalb Firmenbesuche aus Vietnam blankes Entsetzen aus.

  2. quang says:

    Ja das ist wahr! Danke für den Beitrag. Bedenke aber, dass es in Deutschland auch nicht besser ist: die VW-Betriebsräte und Funktionären zum Beispiel, die schliessen Vorverträge bekanntlich im Bordell.

    Fazit: Männer sind überall gleich! Ob weiss, gelb oder schwarz. :)

    Gruß

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