Monthly Archives: Februar 2012

Einschüchternde Verkäufer

Als die Franzosen in Vietnam die Herrschaft übernahmen, hatte vor allem eine gesellschaftliche Klasse darunter zu leiden: Die Beamten der alten königlichen Regierung. Jene Mandarine, Scholaren und Lehrer, deren Welt und Lebensphilosophie geprägt waren durch die jahrhundertealte Tradition der konfuzianistischen Lehre. In der modernen Welt war ihr altertümliches Wissen plötzlich kaum noch etwas wert. Und durch die neuen Herrschaftsstrukturen büßten sie gleichzeitig auch noch ihre Autorität ein. Zwar ließen die französischen Kolonialherren das alte System teilweise intakt (vor allem in… (more…)

Frieren fürs Foto

Das Wochenende war ziemlich kalt. Nichtsdestotrotz war ich am Sonntag Morgen im Park spazieren. Einem Park mit einem sehr großen See, über dessen Wasser ein recht kalter Wind pfiff. Am Ufer stand ein Hochzeitspaar-in-Spe und ließ Bilder schießen. Den vietnamesischen Brauch, vor der Hochzeit ein dickes Album mit Fotos in Hochzeitskleidern anzulegen, hatte ich, glaube ich, schon ein paar Male erwähnt. Ich habe bislang kaum jemanden kennen gelernt, der nicht vorher diese Fotos hat machen lassen. Es ist schon nicht… (more…)

Schwachstrom

Der Winter hat uns wieder. Die Kälte scheint dieses Jahr in Europa und Vietnam zyklisch abzulaufen: Wenn es in Deutschland wärmer wird, wird es in Vietnam wieder kälter. Aktuell ist es sehr ungemütlich. Allerdings hat unser Haus zumindest den Vorteil, dass es sich über die vergangenen Tage und Wochen aufgeheizt hat. Den halbwegs gut isolierten Fenstern sei dank. Das ist nicht in allen Häusern so. Viele Freunde und Bekannte packen zum Abendessen schon wieder die Wintermäntel aus. Noch schlimmer ist… (more…)

Die Crux der Klassik in Vietnam

Vietnam hat ein Problem mit Blechbläsern. Zu wenig gute Bläser hat das Land. „Es gibt keine Tradition in Vietnam, Trompete zu spielen, mit Ausnahme von Armee-Musikern. Aber Militärmusik ist etwas völlig anderes, als Orchestermusik.“ Sagt Graham Sutcliffe. Sutcliffe ist ein Brite, der mittlerweile seit fast 20 Jahren in Vietnam lebt. Er hat eine Zeit lang das nationale Sinfonie-Orchester dirigiert, und leitet aktuell das Opern-Ensemble von Hanoi. Allein das ist eigentlich schon eine Nachricht. Wenn ein Ausländer sich in der vietnamesischen… (more…)

Die sture Krabbe

„Stur wie eine Krabbe“ sagen die Vietnamesen: „Ngang nhu cua“. Die Krabbe, das weiß schließlich jeder, läuft die ganze Zeit in eine Richtung, ohne sich um das Drumherum zu scheren. „Ngang“ ist übrigens nicht nur das Wort für stur oder störrisch, sondern auch für waagerecht oder horizontal. Interessant, wie hier also auch sprachlich „stur“ und „gradlinig“ eng beieinander liegen. Der im Deutschen störrische Esel hingegeben bekommt bei den Vietnamesen das Attribut „dumm“ verpasst. „Dumm wie ein Esel“, heißt es da.… (more…)

Vooorne und… vorne

Man stelle sich jetzt bitte eine Kindersendung vor, wie zum Beispiel „Sesamstraße“, bei der eine Puppe den Kindern den Unterschied zwischen „vorne“ und „hinten“ erklärt. Vorne, das ist vorne, und hinten, das ist hinten. Logisch, nicht? (An dieser Stelle rennt die Puppe jetzt wild über den Bildschirm, um den Unterschied zu demonstrieren). Leider ist Vietnamesisch manchmal gerne besonders verwirrend. In Vietnamesisch ist vorne nämlich nicht immer vorne. Zumindest nicht zeitlich und räumlich. „Sau“ ist im Vietnamesischen „hinten“. „Truoc“ (gesprochen: Tschuok;… (more…)

Kein Wasser

Das My-Dinh-Viertel von Hanoi hat seit drei Tagen kein Wasser. My Dinh ist nicht nur einfach irgendwie ein Wohngebiet. My Dinh ist einerseits das zukünftige West-Hanoi, wo zahlreiche Prestigebauten entstehen, und moderne Bürohochhäuser hochgezogen werden. Außerdem stehen in der Gegend bereits jetzt einige sehr teure Appartment-Häuser, in denen zahlreiche wohlhabende Ausländer und Teile der Hanoier Mittelschicht wohnen. Alle diese Menschen haben teilweise seit drei Tagen kein Wasser. Teilweise haben die lokalen Wassertanks der Häuser auch etwas länger gehalten. Grund für… (more…)

Himmlischer Beistand

„Wenn du nur einen Tag im Jahr beten willst… – dann mach es heute.“ Sagen die Vietnamesen. Heute ist der 15. Tag des neuen Jahres nach dem vietnamesischen (lunisolaren) Kalender. Wer heute nicht um Glück betet, der braucht sich angeblich das ganze restliche Jahr nicht bemühen. Deswegen waren die Straßen von Hanoi heute seltsam leer. Alle waren in Tempeln, Pagoden, auf dem Land, irgendwo, aber nicht bei der Arbeit. Nachdem das Leben in den vergangenen Wochen so langsam wieder in… (more…)

Babyboom mit Ansage

Im Tu-Du-Krankenhaus in Saigon sind am 22. Januar 434 Babys auf die Welt gekommen. Man darf davon ausgehen, dass darüber ungefähr 434 Elternpaare enttäuscht waren. Natürlich nicht über die Geburt. Sondern über den Tag. Einen Tag später wären die Kinder nämlich im neuen Jahr geboren worden (nach vietnamesischer, bzw. chinesischer Zeitrechnung), also im Jahr des Drachen. Der Drache ist das Symbol des Kaisers, des Herrschers, er steht für Erfolg, Macht, und alle möglichen anderen guten Dinge, die Eltern ihren Kindern… (more…)

Schöne Scheine

Zur Zeit haben die Geldautomaten (fast) alle druckfrische Geldscheine im Angebot. Das ist kein Zufall. Das neue Jahr ist, wie hier schon mehrfach angedeutet, mit der Symbolik des Neustarts überladen. Alles muss neu sein, das Haus, die Kleidung, die Frisur. Natürlich auch das Geld. Aus einem zweiten Grund kommen die Geldscheine den Vietnamesen sehr gelegen: Dem Glücksgeld. Zum Neujahr ist es üblich, dass höherstehende Personen anderen Menschen rote, kleine Umschlage mit Geld zustecken. Das soll Glück bringen (und bringt es… (more…)