Bargeldlos einkaufen

Die Redaktion braucht einen neuen Redaktionsfernseher. Schließlich sollten Journalisten immer wissen, was gerade auf anderen Kanälen läuft. In der Nähe der Redaktion liegen passenderweise auch einige mehrstöckige moderne Elektro-Tempel. Ein flacher LCD-Bildschirm soll es sein, damit er an die Wand passt. Kostenpunkt: Etwa 500 Euro. Die Auswahl ist riesig. Flache LCD-Bildschirme sind derzeit voll im Trend in Vietnam, ihre dicken Vorgänger fristen ein Nischendasein in den Läden.

Dann geht es zum Bezahlen. „Tut mir leid“, flötet die Angestellte, „wir akzeptieren keine Karten.“

Wie bitte?

„Keine Karten. Keine EC-Karten. Keine Visa-Karten. Wir haben kein Kartenlesegerät.“

Einmal umgeschaut: Chrom, Stahl, Glas überall. Kein Hinterhof-Dealer. Kein billiger Ramsch-Laden. Ein Elektrogeschäft mit vier Stockwerken, voll mit hochpreisigen Luxus-Utensilien. Kein Kartenlesegerät?

In Vietnam ist sowas leider noch üblich. Es gibt Supermärkte, die haben vier Lesegeräte, weil sie für jedes Banksystem ein eigenes brauchen. Und sehr, sehr viel wird einfach cash bezahlt. Dabei kommt erschwerend hinzu: Die höchste Dong-Note sind 200.000 Dong. Das entspricht nicht ganz zehn Euro. An vielen Bank-Automaten bekommt man diese hohe Note gar nicht. Stattdessen nur 100.000 oder sogar nur 50.000 Dong. Man läuft also, wenn man sich irgendetwas für mehrere tausend Euro kaufen will mit einem dicken Bündel an (umberechnet) 2-Euro-Scheinen herum. Ein großer Spaß.

Also zum nächsten Automaten. Der Automat gibt pro Aktion nur 2 Millionen Dong heraus. 80 Euro. Man muss die Karte also mehrmals hineinschieben, um irgendwann auf 500 Euro kommen zu können. Sieben Mal, um genau zu sein.

Nach dem fünften Mal sagt der Geldautomat: „Sie haben ihre Höchstgrenze erreicht. Ihre Karte wurde gesperrt.“

Da steht man dann also, mit zehn Millionen Dong in kleinen Scheinen in der Hand, und ist immer noch keinen Schritt weiter, einen kleinen Fernseher für 500 Euro kaufen zu dürfen. Nächster Weg: Zur Bank.

Schalter 59, für Ausländer-Kontos. „Tschuldigung“, flötet die Bankangestellte, „die Zeit für Bargeld-Abhebungen ist abgelaufen.“ Ich möchte kein Geld abheben, ich habe nur eine Frage. „Ja?“, lächelt die Angestellte.

„Ich wollte hier gerade 15 Millionen Dong mit dieser Karte von einem Automaten abheben, aber nach 10 Millionen Dong ist meine Karte gesperrt. Ist das absichtlich so? Und wo kann ich sie entsperren lassen?“

„Da müssen Sie zum Schalter 23 gehen, der ist für Karten zuständig.“

Schalter 23. Warten. Lächeln. Eine Angestellte hört sich das Problem an. Dann sagt sie: „Oh, dafür sind wir nicht zuständig, da müssen sie zum Schalter 39 gehen. Der ist für Geldautomaten zuständig.“

Also Schalter 39. Für Automaten. Eine junge Angestellte hört sich das Problem an. Dann sagt sie: „Tut mir leid, dafür sind wir nicht zuständig. Da müssen Sie zum Schalter 36 gehen, der ist für Probleme-mit-Automaten zuständig.“

An Schalter 36 schließt der Angestellte gerade die Klappe. Mittagspause. Zwei Stunden.
Ich weiß aber eh, was er mir vermutlich gesagt hätte: „Entschuldigen Sie, da können wir leider nichts tun. Gehen Sie doch einfach zum Schalter 59 für Ausländer-Konten. Da können Sie Bargeld abheben.“

4 Responses to Bargeldlos einkaufen

  1. Martin says:

    Ha,ha,ha
    erinnert mich an Asterix und Obelix…allerdings fällt mir der Name der Folge nicht ein….

  2. admin says:

    Keine Folge. Die Episode taucht meines Erinnerns in keinem Buch auf, sondern ist nur Teil eines der Kino-Filme, wo es um Herkulessche Aufgaben geht. Eine davon ist, wenn ich das richtig zusammenbekomme, das „Haus der Irren“, das jeder im Wahnsinn verlässt, der einmal hineingegangen ist. Die französische Bürokratie ist in der Tat auch zum Verzweifeln. Aber fast ein Kindergarten gegen manche Auswüchse hier.

  3. „Die französische Bürokratie ist in der Tat auch zum Verzweifeln. Aber fast ein Kindergarten gegen manche Auswüchse hier. “

    Das unterschreibe ich Dir sofort.

    „Die höchste Dong-Note sind 200.000 Dong“

    Das ist allerdings falsch. Ich bekomme regelmäßig bei der Bankangestellten meines Vertrauens 500.000 VND Scheine.

  4. Linksaussen says:

    ich hatte gerade noch im sinn, daß der passierschein a38 auch im trabantenstadt-comic vorkommt, aber nach einigem googeln muß ich mich wohl geirrt haben. oder doch nochmal in der nächsten buchhandlung in das originalcomic reinschauen.

    ansonsten würde ich ja tippen, daß die bankangestellten mit deutscher hilfe ausgebildet worden.

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