Auf der Bank

Alle Länder behaupten von sich, sie hätten die schlimmste Bürokratie der Welt. Deutschland fabriziert Formulare, deren Sprache man selbst dann nicht verstehen kann, wenn man einen Hochschulabschluss hat. In Frankreich sollte man sich darauf einstellen, dass man immer mindestens zweimal zu einem Antrag erscheinen muss, weil die Frau hinter dem Schalter mindestens einmal den Satz sagen möchte: „Da fehlt noch ein Zettel.“

Vietnam hat einen Tick, wenn es um Unterschriften geht. Prinzipiell muss man unter eine Unterschrift immer noch seinen Namen in Druckbuchstaben setzen. Man schreibt also den Namen oben auf das Formular, dann nochmal irgendwo in der Mitte (weils da gewünscht ist), dann unterschreibt man, und dann schreibt man den Namen nochmal. Da Vietnamesen so verwechselbare Namen tragen bestehen sie darauf, dass man mit sämtlichen im Pass eingetragenen Namen unterschreibt. Also auch alle Zweit- und Drittnamen. Das würde unseren neuen bundesdeutschen Wirtschaftsminister wahrscheinlich zur Verzweiflung bringen, von dem wir ja wissen, dass er ganz, ganz viele Vornamen hat (wenn auch nicht so viele, wie die Medien behauptet haben).

Es treibt aber auch einem durchschnittlichen europäischen Bürger den Schweiß auf die Stirn, vor allem, wenn er dann merkt, dass er aus lauter Gewohnheit den zweiten Namen wieder irgendwo vergessen hat.

Umgekehrt haben auch vietnamesische Bankbeamte mit Ausländern so ihre Schwierigkeiten, denn Ausländer haben ganz seltsame Hintergründe. „Ah, Sie sind Deutscher“, sagt die Frau am Bankschalter, „dann trage ich als Geburtsort Berlin ein.“ Äh, nein, nein, es ist eigentlich nicht so, dass alle Deutsche in Berlin geboren sind. Die Frau nickt, trägt als Geburtsort „Deutschland“ ein, und reicht den Pass an ihre Kollegin weiter. Die Kollegin schaut auf den Pass, blättert darin herum, und sagt: „Ich kann kein Englisch, ich kann nicht lesen, was hier steht, ich trage als Nationalität einfach mal Brite ein.“

Es ist auch nicht so, dass alle Europäer in Großbritannien geboren wären. Obwohl ja ganz verschiedene Länder jeweils von sich behaupten, die „Wiege Europas“ zu sein.

Bei aller Unterstützung des europäischen Projekts möchte ich allerdings auch nicht als Geburtsort „Rom“ oder „Athen“ irgendwo stehen haben.

PS: Hinter den beiden Frauen saß eine dritte Frau, die wie die Abteilungsleiterin aussah, am Tisch und las Tageszeitung. Die gesamte Zeit über während ich da war, also fast eine Stunde. Deutsche Abteilungsleiter machen das möglicherweise auch, allerdings verstecken die sich wohl dann hinter Milchglasscheiben oder in ihren eigenen Büros.

One Response to Auf der Bank

  1. m says:

    Ich habe beim Lesen mehrmals laut gelacht. Danke für die nette Erheiterung.

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