Fekit, fetschit und fessit

Mit dem Latein ist das so eine Sache. Da niemand mehr lebt, der es spricht, weiß auch niemand so genau, wie es ausgesprochen wird, auch wenn schlaue Professoren so ihre Vermutungen haben (die wenig überraschend lauten: ähnlich wie das heutige Italienisch).

Deswegen gibt es bekanntlich keine weltweit einheitlichen Ausspracheregeln für Latein, zumal sie unnütz wären, da sowieso kaum jemand Latein spricht, sieht man mal von meinem alten Latein-Lehrer ab, der uns damals versicherte, als Student habe er sich in der Kneipe mit seinen Kommilitionen auf lateinisch unterhalten.

Besonderes Schwierigkeiten macht dabei das „C“. Im Schul-Latein hat man sich darauf geeinigt, es mit „K“ auszusprechen, man sagt also streng genommen Kaesar, Kikero und die Kyklopen, wo der banale Durchschnittsbürger von Zaesar, Zizero und den Zyklopen spricht.

In der Gesangswelt, die mit vielen Stücken in Lateinischer Sprache daherkommt, wird das „C“ dagegen zum „sch“ oder „tsch“. Von Tschäsar singt da zwar niemand, aber von „creschtsis et decreschtsis“ beispielsweise in der Carmina Burana, also vom Zunehmen und Abnehmen des Glücks. Um das ganze noch komplizierter zu machen, gilt das nur für Cs, die vor I oder E stehen. Ein Lateinlehrer erkennt musisch gebildete Schüler aber in der ersten Stunde immer daran, dass man ihnen erstmal das „tsch“ austreiben, und es durch „k“ ersetzen muss.

Was das mit Vietnam zu tun hat?

In Vietnam kommt eine weitere Variante dazu, denn Vietnamesen haben ziemliche Probleme mit „sch“ und „ch“-Lauten, die den Deutschen so leicht von der Hand gehen, dass sie unverschämterweise auch noch zwei verschiedene Arten von „ch“ in ihrer Sprache haben, nämlich den ach- und den ich-Laut. Deshalb kommen vietnamesische Chorsänger an das „tsch“ meist nur annäherend heran, nämlich in Form von einem gelispelten „s“.

Aus „Quia fecit mihi magna“ (in etwa: „Denn er hat mich groß gemacht“, eine Passage aus dem Magnificat, dem vielfach vertonten „Lobgesang Marias“) wird also beim Schullateiner „Quia fekit mihi magna“, während der Sänger ein donnerndes „fetschit!“ schmettert, und sein vietnamesischer Chorkollege versucht, das ungewohnte „fessit“ über die Lippen zu bringen.

Allzusehr lächelnd sollten die Westler darüber freilich nicht, denn besonders erfolgreich stellen sich die meisten mit den vietnamesischen Konsonanten und Vokalen schließlich auch nicht an.

Wer sich von all dem live und in echt überzeugen will, der sollte übrigens Mitte Mai in der Hanoier Oper bei der Aufführung von John Rutters Version des „Magnificat“ dabei sein, und dabei ganz besonders auf die Münder des gemischt europäisch-vietnamesischen Chors schauen. Wer sich nicht ganz so sehr auf die Münder konzentrieren will, kann stattdessen auch nach mir Ausschau halten.

6 Responses to Fekit, fetschit und fessit

  1. Martin says:

    Hi David,

    ich wusste gar nicht, dass Du auch im Chor singst! Rutter hatten wir mit dem Marburger Bach-Chor auch schon im Programm. Geniale Musik, allerdings oft auch ganz schön schräg und schwer zu singen. Auch das Magnificat habe ich schon gesungen – allerdings in einem rein europäischen Chor. Unser weitgereisteter Sänger ist immerhin ein Grieche!

    Viel Spaß beim Singen

    Martin

  2. m says:

    Hast Du jetzt einen neuen Nebenjob und unterrichtest vietnamesische Chorsänger in der korrekten lateinischen Aussprache?

  3. NTN says:

    Ich begreife nun, warum die Leute in Deutschland uns Vietnamesen als Fidtschi (eine Art Schipfwort) bezeichnen. Wir koennen nicht uns nicht verteildigen, weil das „tsch“ so schwer auszuprechen ist.

  4. ngungon says:

    M, nein ich bin einfach nur einem Chor beigetreten. Ich dachte, das wäre am Ende klargeworden.

    NTN, Leute, die Vietnamesen als „Fidschi“ bezeichnen, offenbaren vor allem, dass sie keine Ahnung von Geographie und wohl auch sonst nicht von viel haben.

  5. m says:

    Du singst im Chor? Deine Integration in die vietnamesische Gesellschaft schreitet ja in Riesenschritten voran.

  6. Heidi says:

    Hallo David, wußte auch nicht, dass du im Chor singst, aber Rutter ist toll, haben das Magnificat in der Kantorei gesungen und das Requiem im Kammerensemble. Singen dort jetzt grad verschiedene Mendelssohn Sachen.

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