Viele, viele Kinder

„Geburtenstarker Jahrgang“ lautet dieser wunderschön bürokratische Begriff, den man immer dann verwendet, wenn man erklären möchte, warum Schulen auf einmal aus den Nähten platzen, oder auch die Arbeitslosigkeit ansteigt. Geburtenstarke Jahrgänge kann man wunderschön in Bevölkerungspyramiden ablesen. Meistens sind es allerdings keine einzelnen Jahre, sondern eher mehrere Jahre hintereinander, in denen ein Land aus diesem oder jenem Grund starke Geburtenzuwächse erfahren hat.

In Vietnam ist das anders.

Da könnte man bei genauem Hinsehen in der Bevölkerungspyramide vermutlich ein wunderbares Zickzackmuster erkennen. In einem Jahr starker Anstieg, im nächsten Jahr wieder Rückgang. Der Grund: Wie schon ein paar mal an dieser Stelle erwähnt, glauben die Vietnamesen an „gute“ und „schlechte“ Jahre, sowohl zum Heiraten als auch zum Kinderkriegen. Junge verheiratete Frauen werden dann von ihrer Familie besonders unter Druck gesetzt, doch bitte gefälligst dieses Jahr noch schwanger zu werden, denn nächstes Jahr, ist ja Jahr des Tigers. Und für Jungs mag das ja noch in Ordnung sein, aber wenn es ein Mädchen würde… ein Mädchen im Zeichen des Tigers, das geht gar nicht. Die werden besonders wild und widerspenstig, und finden nie einen Mann. Also bitte dann doch noch dieses Jahr, schnell.

2003 war auch so ein Jahr. Da war Schaf-Jahr. Schafe sind bekanntlich Herdentiere, also sehr familiär, zartfühlend, einfühlsam, gehorsam und friedfertig. Solche Kinder möchte man natürlich haben. Dachten sich ganz viele Vietnamesen 2003.

Dieses Jahr kommen diese Kinder in die Grundschule. Und die Grundschulen schreien jetzt Alarm, und planen bereits, die Klassenstärke anzuheben. Von 30 Schülern pro Klasse auf 50 Schüler pro Klasse. Deutsche Grundschullehrer bekommen an dieser Stelle vermutlich allein bei der Vorstellung einen Herzinfarkt, denn in Deutschland sind mittlerweile meist eher 20 Kinder üblich.

Daraus lernen wir: Es mag „gute Jahre“ für Kinder geben, aber für die Kinder selbst kann es manchmal sehr viel besser sein, in einem schlechten Jahr geboren zu werden. Dann haben sie zumindest kleinere Klassen und weniger Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt.

Und die vietnamesischen Grundschullehrer können sich zumindest damit trösten, dass die 50 Kinder, die in ihrer Klasse sitzen, alle im Jahr des Schafes geboren sind. Also friedvoll, gehorsam – und sehr gesellig.

Das müssen sie bei 50 Mitschülern auch sein.

7 Responses to Viele, viele Kinder

  1. Tu says:

    „ein Mädchen im Zeichen des Tigers, das geht gar nicht. Die werden besonders wild und widerspenstig, und finden nie einen Mann.“
    ahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh hilf mir bitteeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeee

  2. GF says:

    Tu, über deinen Kommentar haben wir herzlich gelacht! :-)
    Mach dir keine Sorgen, es gibt immer Ausnahmen.

  3. ngungon says:

    Liebe Tu,

    ich persönlich glaube generell nicht an solche Sternzeichen. Ich habe nur wiederholt, was man hier so alles ständig hört…

  4. by the way: gibt es öffentlich zugängliche bevölkerungskennzahlen in vietnam?

  5. Tu says:

    ( ja, ik hab auch nur spass gemacht, du brauchst nicht zu erklaeren. :P )

  6. Martin says:

    Määäääh, Määääääh, Määäääääh….
    und das mal 50… nun, dass will wohl wirklich kein Lehrer!
    Danke, dass es bei uns sowas nicht(mehr) gibt. Wobei… man müsste mal die 50 Kinder in der Schule in Vietnam mit den 20 Kindern einer Schule in Deutschland im direkten vergleich sehen, ob da die deutsche Schule bzw. Klasse wirklich ruhiger abschneidet???
    m

  7. GF says:

    Hier spricht der Lehrer! :-) Ich habe noch Klassen mit 40 Kindern erlebt, da war aber nur Frontalunterricht möglich.
    Der heute übliche „offene Unterricht“ war noch nicht bekannt und wäre auch nicht durchführbar gewesen.

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