Wie man einen Jungen bekommt

Am Samstag war Weltbevölkerungstag. Dazu gab es im vietnamesischen Radio einen kritischen und recht detaillierten Beitrag über das Geschlechterungleichgewicht in Vietnam. Das ist prinzipiell kein neues Problem, in den letzten Jahren taucht es in den Jahresberichten der internationalen Geldgeber immer wieder auf. Es nimmt aber an Dramatik zu. Im vergangenen Jahr kamen in einigen vietnamesischen Provinzen auf 100 Mädchen-Geburten sage und schreibe 125 Jungen.

Der Bericht hat die Gründe sehr deutlich benannt: Da wäre zum einen das fehlende soziales Sicherungsnetz. Gerade ärmere Bevölkerungsschichten wünschen sich möglichst viele Jungen, um später die Familie zu ernähren. Dazu die Zwei-Kind-Politik Vietnams, die offiziell höchstens zwei Kinder erlaubt. Hinzu kommt noch eine generell höhere Wertschätzung im durch Konfuzius und Ahnenkult geprägten Vietnam für männliche Nachkommen. Die Söhne sind schließlich für die Pflege des Ahnenaltars zuständig, während die Frauen später in die Familie des Ehemanns ziehen.

Die Folge: Ehepaar wollen mehr Jungen, und mysteriöserweise bekommen sie die auch. Wie gesagt: 125 zu 100. Das ist so ein krasses Gefälle, das es eigentlich mit normalen Mitteln schon nicht mehr zu erklären ist. Im Raum steht folgender naheliegender Vorwurf: Abtreibung aus Geschlechtergründen. Abtreibung ist in Vietnam legal. Gründe werden keine verlangt. Die Wissenschaftler winden sich allerdings noch. Zu viele Daten, zu wenig belastende Verknüpfungen. Es gibt theoretisch auch noch andere Erklärungen. Zum Beispiel kann offenbar das hohe Auftreten von Hepathitis B dazu führen, dass weniger Mädchen auf die Welt kommen.

Um all das ging es dann in dem Bericht allerdings nicht. Der Begriff „Abtreibung“ kam gar nicht vor. Stattdessen fordert das Gesundheitsministerium, das dringenden Bedarf zum Handeln sieht, nun „schärfere Gesetze“.

Und zwar?

Bücher sollen konfisziert werden, fordert das Gesundheitsministerium. Bücher, in denen erklärt wird, wie man Jungen zeugt. Offenbar sind davon sehr viele Bücher im Umlauf. Ich weiß nicht genau, wie aktuell diese Bücher sind. In Deutschland hieß es ja lange Zeit, wer mit Gummistiefeln ins Bett geht, der bekommt einen Jungen. Modernere Forschung geht da etwas subtiler vor, und verspricht tatsächlich eine etwa 70prozentige Erfolgschance anhand von wissenschaftlich klingenden Erklärungen wie schnelleren männlichen Spermien und ähnlichem. Unabhängige Wissenschaftler sehen offenbar nur einen minimalen Einfluss von etwa einer um etwa zehn Prozent höheren Chance. Die Tipps für Jungs lauten dann jedenfalls: Sex nach dem Eisprung. Stellung a tergo. Ach ja, und ein Orgasmus der Frau erhöht ebenfalls die Chance auf Jungs. Wieder was gelernt.

Ich persönlich habe da so meine ganz ernsthaften Zweifel, ob solche Tipps für das Gefälle in Vietnam verantwortlich sind. Seltsamerweise erscheint eine Abtreibungsdebatte kein Thema zu sein. Man könnte ja zumindest die Gesetze dahingehend verschärfen, dass künftig Abtreitung aus geschlechtsspezifischen Gründen verboten sind. (Wohlgemerkt: Gründe lassen sich auch (er)finden, und das durchaus korrupte vietnamesische Gesundheitssystem würde das Gesetz weiter schwächen, aber es wäre mal zumindest ein Schritt.)

Die vietnamesischen Gesundheitsbehörden sehen es offenbar anders, und wollen jetzt also Bücher einsammeln. Das ist natürlich auch nicht ganz ohne, denn entweder ist die Sache nun verboten (was sie nicht ist), oder sie ist erlaubt, dann sollte man eigentlich den Menschen nicht ihr Wissen wegnehmen dürfen. Ganz abgesehen davon, dass Vietnam sich ja seiner hohen Internetnutzungsrate rühmt, und vermutlich die meisten solcher „Tipps“ ohnehin von Mund zu Mund weitergegeben werden.

Fazit: In spätestens 25 Jahren haben sehr viele vietnamesische junge Männer ein Problem. Sie werden sich mit anderen um die Frauen balgen müssen. Wer schlau ist, der zeugt vielleicht jetzt lieber ein Mädchen, damit er sich seinen Schwiegersohn selbst aussuchen kann. Die Tipps dafür sind genau das Gegenteil der oben beschriebenen Jungen-Tipps. Also: Sex vor dem Eisprung. Missionarsstellung. Kein Orgasmus.

Erfolgschance je nach Ansicht der Experten zwischen 5 und 70 Prozent.

2 Responses to Wie man einen Jungen bekommt

  1. GF says:

    Theorie und Praxis!! Ich kenne Leute, die ganz „wissenschaftlich“ vorgegangen sind, um einen Jungen zu zeugen. Resultat: drei Mädchen. :-)

  2. Thorsten says:

    Vielleicht feiern die Jungs in einigen Jahren dann in Vietnam auch den Christopher Street Day… ;-)

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