Ein-Personen-Heiraten

In Vietnam gibt es alle zehn Jahre eine Volkszählung. Immer Jahren mit „9“. Dieses Jahr hatten wir auch eine, sie wurde mit ziemlich großen Tamtam angekündigt, ich meine mich aber dumpf zu erinnern, dass bis auf einige vorläufige Ergebnisse die komplette Auswertung immer noch nicht vorliegt. Kann aber auch sein, dass ich das überlesen habe, weil es schon wieder so lange her ist.

Dafür sind mir jetzt Zahlen einer Volkszählung von 1989 in die Hände gefallen. Als Teil eines wissenschaftlichen Zeitschriften-Beitrags. Daraus ist unter anderem folgendes zu sehen: In Vietnam gab es vor zwanzig Jahren 11,9 Millionen verheiratere Männer. Und 12,5 Millionen verheirateter Frauen.

Verheiratet, wohlgemerkt. Nicht verwitwt oder ähnliches.

Preisfrage: Mit wem waren die 600.000 übrigen Frauen verheiratet? Und nein, die Homo-Ehe ist in Vietnam nicht gestattet. Das Mysterium hatte nach Aussage der vietnamesischen Wissenschaftlerin, die den Artikel verfasste, zwei Gründe: Der erste hängt mit der Tatsache zusammen, dass Männer mit Geliebten Kinder zeugen. Das kommt auch heute noch dann gerne vor, wenn die eigentliche Ehefrau keinen Sohn gebärt. Viele dieser unverheirateten Geliebten mit Kind erklären sich anschließend in den Volkszählungen als „verheiratet“. Ob aus Scham, oder weil sie sich tatsächlich so sehen, weiß ich nicht. Polygamie ist in Vietnam per Gesetz verboten.

Der zweite Grund liegt in der hohen Zahl an Auswanderern oder Gastarbeitern in anderen Ländern. Das waren 1989 noch zahlreiche Vietnamesen, die in sozialistischen Bruderländern arbeiteten, heute sind es ebenfalls nicht wenige, die als Saisonarbeiter oder Jahresarbeiter irgendwo in Asien arbeiten. Die fallen bei einer Volkszählung natürlich durch das Raster. Grund 2 hat allerdings gelegentlich auch mit Grund 1 zu tun: Einige solcher Auswärtigen sind tatsächlich zu echten Auswanderern geworden, und haben sich längst in den weit entfernten Ländern neue Frauen gesucht. Teilweise ohne das ihren Frauen zu Hause zu sagen. Die wiederum halten die Illusion der Heirat aufrecht (obwohl sie auch nicht dumm sind, und die Sache vermutlich ahnen), weil Scheidung noch immer mit einem Makel für Frauen und Kinder versehen ist. Mir sind auch heute noch solche Beispiele bekannt, bei denen der Vater „in Deutschland lebt“, aber schon seit Jahren sich nicht mehr blicken lassen hat.

4 Responses to Ein-Personen-Heiraten

  1. m says:

    Die Ehe eines Mannes mit mehreren Frauen war in Vietnam einmal erlaubt. Ich weiß nicht genau bis wann, aber es sollte irgendwann in den 1970er Jahren sein.
    Als der Verbot der Vielehe eingeführt wurde, behielten aber die bis dahin geschlossenen Ehen Bestandsschutz. Somit ist es sehr gut nachvollziehbar, dass es vor zwanzig Jahren noch ganz legal Männer gab, die mit vielen Frauen verheiratet waren. Heute gibt es vermutlich auch noch Einzelfälle.

  2. ngungon says:

    Wenn mich nicht alles täuscht, dann wurde die Polygamie offiziell seit der Revolution abgeschafft. Sie war allerdings lange Zeit noch gesellschaftlich geduldet, so dass Hochzeiten gefeiert wurden, ohne sich diese beim Standesamt eintragen zu lassen. Das ist anscheinend in einzelnen Fällen sogar heute noch der Fall.

  3. m says:

    Also, ich kriege die Jahreszahl nicht recherchiert. Aber ich weiß von einer Frau, die 1972 ganz legal Zweitfrau eines Mannes in Saigon wurde. Vermutlich war die Rechtslage in Nord und Süd verschieden. Oder man hat sich im Krieg nicht um sowas gekümmert.

  4. heike says:

    wuerde mich wirklich interressieren wieviel menschen wirklich hier leben. Ich halte 80 Mio fuer ein Geruecht. Im Raum Saigon, Binh Duong und Dong Nai haben trotz Firmenschliessungen kaum Aussicht Mitarbeiter einzustellen, weil es keine Menschen auf Arbeitssuche gibt. Egal welche Ausbilungs-Nichtausbildungsstufe man sucht. Es kann ja nicht sein, dass 30 Mio arbeitsfaehiger Menschen im Reisfeld stehen oder fischen gehen. Es muss so sein wie mit den „toten“ SIM Karten. Lt. Statistik gibt es 110 Mio SIM Kartenvertraege, damit schneidet man ja als High Tech Land ab. Bei den 80 Mio muss neben Menschen noch was anderes gezaehlt worden sein.

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