Hohe deutsche Gäste

Wenn ein ausländischer Gast vom Staatspräsidenten empfangen wird, dann gleichen sich normalerweise die Meldungen. Betont werden die guten Beziehungen und die traditionelle Freundschaft beider Länder, und es wird bekräftigt, dass man den Handel ausbauen will und doch bitte ganz viele Investoren nach Vietnam schicken soll. Empfangen werden, gemäß Protokoll, allerdings meist nur echte Staatschefs. Regierungschefs werden vom Premierminister empfangen. Protokoll ist Protokoll.

Das war auch heute der Fall.

Das bemerkenswerte an der Sache war allerdings: Beim Präsidenten wurde ein Staatschef empfangen, dessen Staat es schon seit 20 Jahren nicht mehr gibt. Zu Gast war nämlich Egon Krenz. Ja, den gibt es noch, auch wenn er seit den 90ern in Deutschland von der politischen Bildfläche verschwunden ist. Krenz sieht allerdings auf den Bildern deutlich gealtert aus. Naja gut, ist ja auch eine Weile her.

Erstaunlich an der Sache ist allerdings, dass zur gleichen Zeit ein weiterer ostdeutscher Vertreter hier war, nämlich der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, nebst der obligatorischen Wirtschaftsdelegation.

Herr Sellering wurde meines Wissens nicht vom Staatspräsidenten empfangen. (Gut, passt ja auch nicht zum oben erwähnten Protokoll). Sellering bekam übrigens Schelte zu Hause, weil er ausgerechnet direkt nach der Sommerpause nach Asien reist. Solche Sorgen hatte Krenz sicherlich nicht, schließlich gibt es den Staatsrat, der ihm Ärger machen könnte, schon seit 20 Jahren nicht mehr. Kurios allerdings: Kein Deutscher wusste davon, dass Krenz überhaupt in Hanoi ist. Die Botschaft nicht (es besteht freilich auch keine Anmeldepflicht für Deutsche), die Rosa-Luxemburg-Stiftung nicht (Krenz ist allerdings auch seit 1990 aus der damals noch „SED-PDS“ heißenden Partei ausgeschlossen worden), eigentlich wusste irgendwie niemand es so richtig.

Bis auf die Vietnamesen. Die entpuppten sich mal wieder als die besseren Preußen, und heißen ja auch angeblich „Die Preußen Südostasiens“. Krenz ist übrigens in Pommern geboren.

3 Responses to Hohe deutsche Gäste

  1. fl says:

    Ja, zufällig vorher im Fernsehen gesehen, war zuerst leicht verwirrt…

  2. m says:

    Ist ja witzig.
    Vielleicht hat er für ein Wirtschaftsunternehmen in Hanoi die Tür geöffnet?

  3. m says:

    Hier gibt es eine andere Erklärung, was der Besuch soll:
    http://www.jungewelt.de/2010/09-15/056.php

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