Roter Schlamm

Angesichts aktueller Ereignisse nutze ich die Chance, um hier auf ein Thema einzugehen, das vergangenes Jahr in Vietnam ziemlich hochkochte. Denn auch Vietnam hat Bauxit. Ohne zynisch klingen zu wollen: Angesichts der aktuellen Katastrophe in Ungarn kann ich mir die Erklärung sparen, was genau Bauxit ist und was man damit macht (Aluminiumherstellung).

Ebenfalls sparen kann ich mir den Hinweis darauf, dass beim Abbau von Bauxit „Roter Schlamm“ entsteht, der hochgiftige Stoffe enthalten kann, und deshalb nicht weiter verwendbar ist, sondern irgendwo gelagert werden muss (die Australier, ebenfalls große Bauxit-Produzenten, verwenden dazu unbewohnte Wüstenstücke). Bilder sagen in diesem Fall mehr als tausend Worte.

Das alles wurde, man mag es kaum glauben, in Vietnam bereits vor einem Jahr diskutiert. Denn, wie gesagt, auch Vietnam hat Bauxit-Vorkommen, Experten schätzen sie sogar auf die drittgrößten der Welt. Die vietnamesische Regierung hat bereits vor einiger Zeit beschlossen, diese Abkommen abbauen zu wollen. Sie erhofft sich dadurch einen weiteren Anschub für ihre Industrie, sowie einen grob geschätzten Umsatz von rund 35 Milliarden Euro. Das bewegt sich in etwa in der Größenordnung von deutschen „Griechenlandhilfen“ und ähnlichen Ausgaben.

Vor allem China ist am Bauxit-Abbau interessiert, denn die Bauxit-Vorkommen in China gehen langsam zur Neige, sie sind in Vietnam mittlerweile deutlich größer, und außerdem existiert zwischen Vietnam und China sowieso ein ziemlich großes Handelsbilanzdefizit: Vietnam importiert sehr viel mehr, als es umgekehrt nach China exportiert. Damit ließen sich also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Vietnam gleicht sein Bilanzdefizit aus, und China muss noch nicht mal sehr viel dafür bezahlen, sondern kann das Bauxit einfach mit vietnamesischen Schulden verrechnen.

So weit, so problemlos.

Anfang vergangenen Jahres begannen dann die Proteste in Vietnam. Was genau der Auslöser war, ist umstritten. Einige beschuldigen katholische Gruppen im Zentralen Hochland (dort, wo das Bauxit liegt), die auf „Unfrieden“ aus gewesen seien, andere vermuten, der Ansturm von chinesischen Wissenschaftlern, Experten und Arbeitern habe Unwohlsein ausgelöst.

Was folgte, war eine bunte Mischung Argumenten, Protestgründen und Ängsten. Dass der Abbau von Bauxit unglaubliche ökologische Schäden verursachen kann, muss man nach Ungarn nun wohl zumindest nicht mehr sonderlich belegen. Andere Kritiker stellen den erhofften Profit durch den Abbau infrage (und rechnen unter anderem vor, dass für den Abbau umgekehrt die Landwirtschaft in dieser Region eingestellt werden müsse). Wieder andere fühlen sich nicht ganz wohl bei der Tatsache, dass China an der Sache so stark beteiligt ist. Das ist der übliche, nachvollziehbare Reflex eines Landes, das im Schatten eines sehr, sehr großen Landes lebt. Zu beobachten auch überall anderswo auf der Welt. Meistens ist sich das jeweils große Land dieser Ängste gar nicht bewusst (Stichwort: „Wir meinen es doch nur gut!“).

Von der vienamesisch-deutschen Freundschaftsgesellschaft, die vietnamesischer Schmähkritik völlig unverdächtig ist, gibt es hier eine sehr interessante, vielschichtige Übersicht über die gesamte Angelegenheit. Wer es etwas unternehmensorientierter und trockener möchte, der kann auch den Bericht von der Deutschen Industrie- und Außenhandelskammer über Bauxit in Vietnam allgemein zu Rate ziehen. In deutschen Medien dagegen ist das zugegebenermaßen komplexe, aber spannende Thema noch nicht aufgetaucht, es sei denn in Verbindung mit Internet-Attacken gegen Blogger. Leider ist das ein bisschen symptomatisch für deutsche Berichterstattung über Vietnam. Berichtenswert sind fast immer nur entweder der Tourismus oder die Menschenrechte. So ganz gerecht wird man damit der Situation in Vietnam irgendwie doch nicht.

Den Höhepunkt erreichte die Debatte in Vietnam, als Volks- und Nationalheld General Giap sich einmischte. Das ist jener Mann, der bereits 1954 die Franzosen bei Dien Bien Phu schlug. Er ist dieses Jahr 99 Jahre alt geworden, bzw. nach vietnamesischer Rechnung 100 Jahre alt. Er ist außerdem der letzte große Vertreter jener ersten vietnamesischen Regierung um Ho Chi Minh. Dass eine solche Figur plötzlich mit durchaus direkten Worten in drei öffentlichen Briefen Partei ergriff für die Gegner des Abbaus und schärfere Umwelt- und Sicherheitskontrollen anmahnte ist zumindest beachtenswert. Wohlgemerkt: Giap plädierte nicht komplett gegen den Bauxit-Abbau, aber er forderte eine strengere Überprüfung des Projekts.

Die Regierung erklärte daraufhin, man werde höchste und allerhöchste Umwelt-Standards einhalten. Etwas ernüchternd war allerdings ein paar Wochen später das Zitat eines vietnamesischen Ministers gegenüber der dpa: Ja, wir wollen einen Bericht über die Umweltfolgen erstellen, aber wir haben bislang noch nicht das Geld dazu.

Seitdem ist es deutlich ruhiger geworden um das ganze Projekt, und ich weiß nicht genau, ob die Regierung mittlerweile das Geld für einen Pojektbericht zusammen hat, aber falls nicht, lohnt ja vielleicht dieser Tage einfach mal ein Blick nach Ungarn.

5 Responses to Roter Schlamm

  1. m says:

    Spielt Ungarn tatsächlich in der Diskussion in Vietnam zu diesem Thema eine Rolle oder war das eher ein Vergleich von Dir?
    Hier in Deutschland ist der Unfall in Ungarn erst seit heute so dominant, dass man ihn in den Zeitungen nicht überlesen kann.

  2. yeuem says:

    Sag bescheid wenn man das Hochland anfängt zu vergewaltigen, ich glaub dann brauch man als Tourist nicht mehr dort hinfahren. Die Agent Orange Opfer haben bis heute keine Entschädigung bekommen. Schön wenn sich Giap sich da eingemischt hat. Bac Ho dreht sich bestimmt im Grab um.
    Die ersten Meldungen in der Medienlandschaft in DL gabs wohl am 05.10.2010 schon zu sehen.

    http://www.wdr.de/radio/wdr2/mima/574643.phtml
    Schäden in Millionenhöhe: Wer zahlt?
    Umweltstaatssekretär Zoltan Illes bezifferte die Folgekosten der Katastrophe auf „viele Millionen Euro“. Wenn das verantwortliche Unternehmen die Mittel nicht aufbringen könne, werde die ungarische Regierung einspringen, „oder wir müssen die Europäische Union um Hilfe bitten“. Über die Donau könnte das Gift durch Kroatien, Serbien, Bulgarien, Rumänien und die Ukraine bis ins Schwarze Meer gelangen.

    Schlamm ist bleihaltig und leicht radioaktiv
    Am Montagnachmittag war in einer Aluminiumfabrik in Ajka, 165 Kilometer westlich von Budapest, ein Auffangbecken zerborsten. Etwa 1,1 Millionen Kubikmeter Giftschlamm breiteten sich in den umliegenden Dörfern aus. Bei dem roten Schlamm handelte es sich um ein bleihaltiges Abfallprodukt aus der Aluminiumproduktion, das auch leicht radioaktiv ist. Entlang der Schlammlawine wurde außer Bäumen jede Vegetation zerstört.

  3. corcampus says:

    Nicht beim Abbau fällt der Rotschlamm an, sondern bei der Gewinnung von Aluminium aus Bauxit.
    Um das mal klärend hinzuzufügen…

  4. ngungon says:

    Danke corc für den Hinweis.

    @m

    Das Thema ist auf jeden Fall überraschend präsent in den vietnamesischen Medien. Man liest einiges und es kommt auch trotz des großen Themas „Tausend-Jahr-Feiern“ in den Nachrichten vor.

  5. yeuem says:

    bleib hart dran und beobachte es

    wenn es für VN ein Gewinn werden sollte
    dann nur mit strengen Umweltauflagen
    weil ….

    VN wurde schon so oft …

    ich schau mal noch weiter VTV9 Video
    http://media.tuoitre.vn/#Media,40305

Schreibe einen Kommentar zu ngungon Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert