Ein europäischer Dialekt

Im Goethe-Institut gab es heute Abend zur Feier des 50. Jahrestags der Römischen Verträge eine Podiums-Diskussion über die Europäische Union. Gäste waren unter anderem Professor Ménudier von der Sorbonne in Paris, sowie die Botschafter von Deutschland, Holland, Belgien und der Botschafter der EU. Vorgetragen wurde in Englisch… und in Französisch. Für beides gab es selbstverständlich Simultanübersetzer ins Vietnamesische.

Als der französische Professor anfing zu sprechen, entschuldigte sich der Direktor des Goethe-Instituts, dass man leider keinen Übersetzer für die deutschen Gäste habe. Er sei „davon ausgegangen, dass jeder Deutsche Französisch spricht.“ Französisch sei ja ein bekannter europäischer Dialekt.

Es ließe sich nun spekulieren, ob es von der Abgehobenheit internationaler Kultur- und Botschafterkreise zeugt, bei jedem Deutschen genug Kenntnisse vorauszusetzen, um einem französischen Geschichtsprofessor bei seinen Überlegungen folgen zu können. Ich erinnere mich, dass selbst ich dafür in Paris damals zwei Monate gebraucht habe.

Man sah dann jedenfalls mehrere Deutsche, die verzweifelt, in der Hoffnung, sich verhört zu haben, trotzdem noch die Kopfhörer mit dem Übersetzungstext überstülpten und einige Minuten andächtig der vietnamesischen Übersetzung lauschten.

Bis sie dann offenbar merkten, dass Vietnamesisch ihnen genauso fremd ist wie der europäische Dialekt des Französischen.

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