Europa lebe hoch

Gestern wurde in Hanoi Europa gefeiert. 50 Jahre Römische Verträge.

Was die Lebenshaltungskosten in einem sich-entwickelnden-Land wie Vietnam unter anderem günstig macht, ist die Tatsache, dass europäische Kulturveranstaltungen fast immer kostenlos angeboten werden. Irgend eine Botschaft organisiert eigentlich an jedem Wochenende gerade irgend einen Filmabend/Musikvorführung/Ausstellung, etc. Da man ja Vietnamesen anlocken will, die sich aber eine Opernkarte für 30 Euro nicht leisten könnten (und dann ohnehin erst recht nicht kommen würden), sind alle diese Dinge meist nur davon abhängig, wer sich am schnellsten die Karten in der jeweiligen Vorverkaufsstelle sichert.

Was die Schwarzmarkthändler, die gestern vor der Oper herumliefen, vermutlich nicht gewusst haben. Aber das nur nebenbei.

Gestern also europäische Gala im Opernhaus, unter anderem mit Yvonne Timoianu, die Cello spielte, als wäre sie allein ein ganzes Orchester, sowie Auszügen aus „Carmen“ oder „Turandot“ oder „La Traviata“ vom Nationalen Sinfonie-Orchester Vietnams.

Da irgend jemand die Tickets verteilt hatte, der vom Unterschied zwischen Konzert und Theater keine Ahnung hat, saßen sämtliche europäischen Botschafter in den vorderen Reihen im Parkett, und alle sonstigen Gäste tummelten sich in den Logen und auf dem Balkon. Die Logen in der Hanoier Oper sind unerwartet geräumig. Hatte noch nie so viel Beinfreiheit bei einem Konzert.

Der entscheidende strategische Fehler der Organisatoren begab sich jedoch in der Pause: Jemand war auf die Idee gekommen, ein Buffet in die Halle zu stellen. Und nicht nur irgend ein Buffet, sondern auch noch ein richtig leckeres. Gleichzeitig war irgend jemand anderes der Meinung, fünf bis zehn Minuten Pause würden ausreichen.

Das heißt, nachdem die ersten Gäste gerade mal das Buffet entdeckt hatten, klingelte schon wieder die erste Glocke.

Das heißt auch: Es kümmerte niemanden.

Die Glocke klingelte noch insgesamt drei Mal, und nach fünfzehn Minuten, nachdem das Buffet vielleicht gerade mal zur Hälfte abgefuttert war, schlenderten dann die ersten noch schwätzend in den Saal zurück.

Um dort festzustellen, dass das Orchester vor fast leeren Rängen bereits wieder angefangen hatte zu spielen.

So kann man europäische Kultur einem fremden Volk natürlich auch nahebringen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert