Wie man eine Banane isst…

„Wenn du eine Frau siehst, die eine Banane isst, dann kannst du an ihren Essgewohnheiten sehen, woher sie kommt: Wenn sie die Banane in zwei teilt, kommt sie aus dem Norden. Isst sie die Banane, ohne sie vorher zu teilen, kommt sie aus dem Süden.“

Diese Weisheit konnten manche Vietnamesen offenbar noch von ihren Großmüttern hören. Wobei diese Herleitung wohl schon damals hinten und vorne nicht gestimmt hat. Stattdessen ging es darum zu unterstreichen, dass Nordvietnamesen „Sitten“ haben, während die Bewohner im Süden (im „wilden“ Süden, wo im 18. und 19. Jahrhundert Auswanderer und Siedler hinzogen, und sich mit barbarischen Völkern mischten) eben keine Sitten haben.

Denn eine alte vietnamesische Ess-Knigge besagt: Eine Banane wird nicht etwa von einer Seite geschält, und dann aufgegessen. Das machen „nur Affen und Amerikaner“ (in dieser Reihenfolge). Stattdessen wird sie mit einem geübten Handgriff in der Mitte zerteilt, und anschließend in zwei Teilen gegessen.

In einer Mailing-Liste von vietnamesischen und ausländischen Vietnam-Wissenschaftlern ist allerdings eine flammende Diskussion darüber entbrannt, ob diese Essregel tatsächlich „kanonisch“ ist, oder nur für bestimmte Familien galt. Einige stimmten zu, und erklärten, geschnitten werde eine Banane nur, wenn man sie auf dem Ahnenaltar opferte. Andere erklärten, ihre Großmutter habe sie gelehrt, die Banane von oben nach unten zu essen, allerdings niemals zu viel von der Schale abzuziehen – das sehe gierig aus.

Um die Sache noch komplizierter zu machen gibt es außerdem offenbar verschiedene Angewohnheiten, eine Banane entweder von der Spitze oder vom Stamm her zu essen. Ein Anthropologe erklärte darauf hin, Völker, die niemals eine Banane in freier Wildbahn gesehen hätten, tendierten dazu, die Banane „falsch herum“ zu essen: Also vom Stamm aus, weil sie davon ausgingen, dass eine Banane nach unten hängt. Menschen, die wissen, dass eine Banane nach oben wächst, würden auch oben (an der Spitze) anfangen zu essen. Belege dafür habe ich allerdings keine.

Im Vietnam des 20. Jahrhunderts hat das allerdings offenbar alles genauso viel mit der Realität zu tun, wie Knigges Hausregeln: Fast gar nichts. Eine kurze, nicht repräsentative Umfrage in meinem Bekanntenkreis ergab: Vietnamesen essen die Banane so, wie es ihnen gerade einfällt.

Auch die wohlerzogenen aus dem Norden.

One Response to Wie man eine Banane isst…

  1. Laura Mai says:

    Meine Beobachtung ist ähnlich, es wird stets spontan entscheiden, wie man seine Banane nun isst. Allerdings hat dann auf Nachfrage trotzdem jeder irgendwie einen Meinung dazu (die durchaus von der eigenen Handlung abweichen kann): „Meine Mutter hat mir gesagt, es ist höflich, eine Banane so und so zu essen.“ Komischerweise gilt das alles nur für Frauen. Männer machen sich um so etwas keinen Kopf.

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