Mystische Kräuter

In deutschen Zeitschriften und Magazinen findet sich immer wieder Werbung für „asiatische Heilkräuter“. Die können, glaubt man der Werbung, eigentlich alles. Sie helfen gegen Verdauungstörungen, Rheuma und Erektionsschwächen. Und wer wollte daran zweifeln, schließlich wissen wir ja, dass alle Asiaten im Alter noch mit der jugendlicher Kraft auf hohen, heiligen Bergen herumsitzen, Yoga betreiben, und sich bereitwillig als Karate-Trainer zur Verfügung stellen, falls hilflose Teenager von ihren Mitschülern gehänselt werden.

Wenn die Asiaten das alle noch können, muss es ja irgend einen Grund haben, und was gäbe es für einen besseren Grund als asiatische Heilkräuter?

Umso überraschter war ich jetzt, dass dieselbe Logik auch umgekehrt funktioniert. In der „Straits Times“, der renommierten Tageszeitung aus Singapur, klebt eine halbseitige, große Werbung mit der Überschrift „Europäische Kräuter haben mir gegen Haarausfall geholfen!“ Anschließend wird erklärt… nein, eigentlich wird gar nichts erklärt, die beliebten Vorher-Nachher-Bilder nebst Preisangabe zusammen mit den Schlagwörtern „Europäische Kräuter!“ reichen offenbar völlig als Überzeugung aus. Vermutlich wissen die Asiaten, dass alle Europäer noch im hohen Alter kerngesund auf heiligen Friedhöfen sitzen, und in Not geratenen Jugendlichen zeigen, wie man Vampire tötet. Mit vollem Haar, versteht sich. Das muss ja irgend einen Grund haben, und der lautet: Europäische Heilkräuter.

Ein Blick ins Kleingedruckte ergibt dann immerhin, dass es sich bei dem beworbenen Kraut um „Burdock“ handelt, auf deutsch: Die Klette. Die gilt offenbar in der Tat als haarwuchsfördernd, zumindest glaubten das schon die alten Ägypter, und nach ihnen die Europäer im Mittelalter.

Heutzutage vertrauen die Europäer, wenn es um Haarausfall geht, allerdings lieber chinesischen Mu-Ehr-Pilzen, dem asiatischen Ginseng, oder auch dem Ingwer.

Die Asiaten hingegen setzen ihre Hoffnungen in die Klette.

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