Schöne Scheine

Zur Zeit haben die Geldautomaten (fast) alle druckfrische Geldscheine im Angebot. Das ist kein Zufall. Das neue Jahr ist, wie hier schon mehrfach angedeutet, mit der Symbolik des Neustarts überladen. Alles muss neu sein, das Haus, die Kleidung, die Frisur. Natürlich auch das Geld.

Aus einem zweiten Grund kommen die Geldscheine den Vietnamesen sehr gelegen: Dem Glücksgeld. Zum Neujahr ist es üblich, dass höherstehende Personen anderen Menschen rote, kleine Umschlage mit Geld zustecken. Das soll Glück bringen (und bringt es auch sofort: Schließlich ist Geld drin.) Das kann reichen von 10.000 Dong für die komplette Belegschaft einer entfernten Abteilung oder für diverse Parkwächter, über (aktuell) etwa 200.000 Dong für enge Kollegen oder Freunde, bis hin zu prinzipiell nach oben offenen Summen für Familienangehörige. Vor allem Kinder werden mit Geld überhäuft.

Am meisten Glück bringt das Geld aber nur, wenn es auch tatsächlich neu ist. Zerknautschte Scheine in den Umschlag stecken, ist zwar prinzipiell möglich, aber nicht sonderlich fein.

Als ich vor vier Tagen irgendwo mit einem druckfrischen 200.000 Dong-Schein bezahlt habe, erklärte daraufhin die Verkäuferin, die offenbar überrascht war, dass ich den Schein nicht lieber für Rote Umschläge verwende, ihrem Kollegen: „Ah, der ist Ausländer, der weiß es nicht besser.“

2 Responses to Schöne Scheine

  1. Laura Mai says:

    Weiß jemand Bescheid, ob das tonnenweise frischgedruckte Geld in Vietnam auch alles wirtschaftlich mit Gold abgedeckt ist, oder ob Neujahr vielleicht die treibende Kraft der Inflation in Vietnam ist?

    Übrigens ist es in Familien oft so, dass nicht jeder selbst zum Geldautomaten rennt, sondern dass irgendein Onkel stapelweise Geldscheine holt und sie an die Familienmitglieder… verschenkt.

  2. ngungon says:

    Das Geld aus den Automaten ist tatsächlich nur frischgedruckt; sprich, es werden alte Geldscheine durch neue Geldscheine ersetzt. Also keine Inflation.

    Neujahr ist natürlich trotzdem inflationstreibend, wegen des Einkaufswahns, das treibt ja die Preise teilweise in horrende Höhen. Gleichzeitig versuchen viele Händler möglichst Kasse zu machen. Berichte darüber, dass die Regierung zum Neujahr „die Preise stabil halten wird“ erscheinen eigentlich jedes Jahr (und beißen sich wiederum mit den Berichten darüber, dass Vietnam darauf besteht, dass seine Marktwirtschaft endlich international anerkannt wird).

    Darüber hinaus tragen außerdem auch die Auslandsinvestitionen zur Inflation bei, der Import, und natürlich auch der Wechselkurs; anders gesagt, das Wirtschaftswachstum selbst, wie es Vietnam derzeit betreibt, ist inflationsfördernd. Es gibt auch immer wieder Stimmen aus der Politik, die erklären, „Stabilität“ gehe vor Wachstum. In der Realität scheint mir allerdings manchmal, man will eigentlich doch lieber beides erreichen, was der Quadratur des Kreises gleichkommt.

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