Kein Wasser

Das My-Dinh-Viertel von Hanoi hat seit drei Tagen kein Wasser. My Dinh ist nicht nur einfach irgendwie ein Wohngebiet. My Dinh ist einerseits das zukünftige West-Hanoi, wo zahlreiche Prestigebauten entstehen, und moderne Bürohochhäuser hochgezogen werden. Außerdem stehen in der Gegend bereits jetzt einige sehr teure Appartment-Häuser, in denen zahlreiche wohlhabende Ausländer und Teile der Hanoier Mittelschicht wohnen.

Alle diese Menschen haben teilweise seit drei Tagen kein Wasser. Teilweise haben die lokalen Wassertanks der Häuser auch etwas länger gehalten. Grund für den Totalausfall ist eine gebrochene Wasserleitung, die offenbar so sehr gebrochen ist, dass sie in den vergangenen Tagen nicht repariert werden konnte.

Kein Wasser, das bedeutet: Kein Wasser zum Kochen. Keine Dusche. Kein Waschbecken. Keine Toilettenspülung.

Ein Ausnahmezustand, wie man ihn in einem modernen Haushalt möglicherweise einen Tag lang erdulden (und anschließend darüber lachen könnte). Drei Tage ohne Toilettenspülung, Waschbecken und Dusche mag ich mir überhaupt nicht vorstellen. Fast noch mehr überrascht mich die Tatsache, dass die Hanoier Zeitungen die Sache bislang, wenn überhaupt, eher auf den hinteren Seiten aufgegriffen haben. Die Titelseiten sind alle mehr oder weniger voll mit den zahlreichen Frühlingsfesten, die traditionell rund um Neujahr stattfinden.

Spannende, kulturreiche Feste, gewiss. Allerdings auch jedes Jahr dasselbe. Ein Wasserausfall für mehrere Tage ist selbst im „Schwellenland“ Vietnam nicht an der Tagesordnung. Stromausfälle, ja. (Wenn auch eigentlich nicht für mehrere Tage).

Der Rest von Hanoi ist von dem Malheur übrigens nicht betroffen. Zentral-Hanoi und West-Hanoi werden unterschiedlich mit Wasser und Trinkwasseranlagen versorgt. In Zentral-Hanoi ist ein System in Kraft, das vor einigen Jahren mit Hilfe finnischer Entwicklungsgelder installiert wurde. Deswegen heißt das Leitungswasser in Hanoi auf Vietnamesisch auch „Finnisch Wasser“ (nicht mit Kölnisch Wasser zu verwechseln). Die neuen Gebiete im Westen werden über andere Leitungen versorgt, die schon in der Vergangenheit nicht immer stabil waren. Geplant ist, dass die Gegend irgendwann durch einen der großen nordvietnamesischen Flüsse ihr Leitungswasser erhält.

Bis dieses Leitungssystem dann aber in Kraft ist, kann man offenbar erst einmal davon abraten, in die Gegend zu ziehen. Es sei denn, man möchte mal erleben, wie es sich mehrere Tage ohne Wasser lebt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert