Mit braunem Sekt und Hall

Es gibt Dinge im Ausland, die lernt man erst nach einiger Zeit zu lieben. Ich muss allerdings zugeben: Bei vietnamesischen Hochzeiten warte ich noch immer auf diesen Effekt. Ich verstehe vietnamesische Hochzeiten nicht. Bis heute nicht. Am Sonntag war wieder eine. Die erste Hochzeit der diesjährigen Heiratssaison. Vermutlich auch die letzte, denn die Saison geht nur noch bis etwa April. Danach wird es zu heiß, und es heiratet nur noch, wer tatsächlich muss.

Vietnamesische Hochzeiten sind laut. Auf der Bühne steht ein Entertainer, der unter dem kräftigen Einsatz von Mikrofon und bis zum Anschlag aufgedrehten „Hall“-Regler (ich muss dringend mal einen Blog-Eintrag über Mikrofone und Hall verfassen) die Veranstaltung moderiert. Nicht selten bekommt man den Eindruck: Er feiert sich dabei vor allem selbst. Dann dürfen kurz Brautpaar und Eltern etwas sagen (mit Hall), anschließend wird der Sekt in die Glaspyramide gekippt. Die Glaspyramide ist mittlerweile Pflicht. Es gibt keine Hochzeiten ohne Glaspyramide mehr. In der Glaspyramide ist trockenes Eis oder irgend eine andere fiese Chemikalie versteckt, die den Sekt rauchen lässt, und dunkel färbt. Gestern brauchte es zwei Flaschen Sekt, bis alle Gläser voll waren. Sie rauchten schön, und stanken dabei, und niemand käme am Ende auch nur im Traum auf die Idee, das Zeug zu trinken.

Anschließend zeigte der Entertainer, dass die Lautstärke der Vordergrundmusik… äh, Hintergrundmusik noch nicht auf Maximum war, und drehte nochmal am Regler. Dann sang er.

Nach dem ersten Lied ging eine Verwandte des Bräutigams, die in London lebt, zum Entertainer, und bat ihn, die Musik etwas leiser zu stellen. Man könne sein eigenes Wort nicht mehr verstehen. Der Mann sah sie verdutzt an, und erklärte, dann könne er nicht mehr singen. Die Vietnamesin entgegnete darauf: Prima, dann sing doch einfach nicht.

Der Rest der Hochzeit verlief dann mit deutlich heruntergedrehter Musik und ohne singenden Entertainer. Eine weitere Vietnamesin erzählte von ihrer letzten Büro-Feier, an der ebenfalls solch ein Moderator durch den Abend geführt habe. Als er schließlich aufgehört habe, zu singen, hätten alle erleichtert geklatscht, weil es endlich vorbei sei.

Eigentlich ist es seltsam, sagten dann einige Anwesende mit gerunzelter Stirn: Wir zahlen bei solchen Festen für Dinge, die wir gar nicht wollen.

Hatte ich schon erwähnt, dass ich vietnamesische Hochzeiten niemals verstehen werde?

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