Von den Aufgaben einer Schildkröte

Die chinesische Mythologie (und damit auch die vietnamesische) kennt vier „Heilige Tiere“: den Drachen, den Phoenix, die Schildkröte, und das Ky-Lin, das in den meisten Reiseführern mit „Einhorn“ übersetzt wird, obwohl es auch nach längerer Suche an keiner Ecke seines Körpers ein Horn aufweist.Da Drache und Ky-Lin mit größtanzunehmender Wahrscheinlichkeit Sagengestalten sind und auch der Phoenix in seiner profanen Form (als Kranich) nicht unbedingt ein pflegeleichtes Tier ist, bleibt die Schildkröte als einzige übrig, um tatsächlich als reales Tier im Alltag gewisse Aufgaben zu übernehmen.

Schildkröte

Hier zum Beispiel schwimmt sie im Teich eines Tempels herum. Zusammen mit fünf Dutzend anderen, was in diesem Fall nicht besonders tierfreundlich ist. (Aber das ist ein Kapitel für sich).

Schildkröten gelten als die symbolischen Tiere für Beständigkeit und langes Leben. Deshalb setzen Tempel-Besucher, die um ebensolches bitten wollen, als Geschenke Schildkröten in den dazugehörigen Teichen aus. Eine Tradition, die mir bislang in Hanoi kaum aufgefallen ist, was an der stärker mit China verwurzelten Tradition von Saigon zu tun haben mag.

(Ja, China liegt im Norden Vietnams. Ja, Saigon liegt im Süden Vietnams. Nein, es ist trotzdem stärker chinesisch beeinflusst, weil es ein sehr großes chinesisches Viertel hat.)

Man setzt also eine Schildkröte aus (oder übergibt sie dem Personal), hofft auf langes Leben, und geht wieder.

Findige Leute markieren vorher ihre Schildkröte (siehe Bild). Entweder, damit sie sie später wiederfinden. Oder damit den entsprechenden Göttern im Himmel auch nochmal eindeutig klar ist, wem sie langes Leben schenken sollen. Es schadet ja nie, an seine Geschenke ein Schildchen dranzuhängen „Von… für…“.

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