Vietnamesische Geschichte ist manchmal etwas schwer zu lesen und zu verstehen. Was an einem etymologischen Problem liegt: Der Feind sind nämlich immer die anderen.
Das erscheint zunächst mal nicht weiter problematisch: „Vietnamesische Truppen griffen den Feind bei Nacht an“, heißt es beispielsweise im Museum für Kriegsgeschichte über den Krieg gegen die Franzosen. Was für deutsche Ohren in einem Museum etwas seltsam klingt, aber noch als patriotisch-aufgeladene Propagande verstanden werden kann. Feind, das klingt böse, und jeder, der gegen die Vietnamesen kämpft, muss böse sein. Logisch.
Schwieriger wird es beim folgenden Beispiel. In einer Geschichte über den großen Feldherrn und späteren König Le Loi, der im 15. Jahrhundert die Chinesen aus dem Land vertrieb, heißt es dann anfangs ebenfalls: „Er ließ die feindlichen Truppen angreifen.“ Dann wechselt die Szene zum Oberkommandierenden der Chinesen, der fassungslos den Überraschungsangriff zu spät bemerkt. Aus Wut über seine nutzlosen Kundschafter zieht er sein Schwert und schlägt den „feindlichen Deserteuren den Kopf ab“, sieht dabei aber, wie „feindliche Truppen auf der Flucht aus Panik die Tore der Festung blockieren“.
Spätestens hier setzt dann das Grübeln ein.
Die „feindlichen Truppen des Oberkommandierenden der Chinesen“ müssten ja folgerichtig die anderen sein. Also die Vietnamesen. Nur, leider: eben nicht. Der Feind sind immer die anderen, also in dem Fall eben nicht, sondern: immer die einen, also: dieselben. Nämlich die Feinde der Vietnamesen.
Der Chinese schlägt also seinen eigenen Deserteuren den Kopf ab (das ergibt ja auch zumindest halbwegs Sinn, auch wenn man als Kommandeur eigentlich besseres zu tun haben sollte), und sieht seine eigenen Truppen in Panik davonrennen.
Die Hölle, das sind die anderen. Die Feinde sind immer dieselben.
Ist doch eigentlich recht einfach und erleichtert den vietnamesischen Geschichtsschreibern Erklärungen und detailliertes Hintergrundwissen über „den Feind“.
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