Vorteil für Ausländer

Westlich aussehende Ausländer genießen in Vietnam, man muss es eigentlich so formulieren, eine Art positiv gedrehten Rassismus. Sprich, man darf sich als Ausländer einiges erlauben, womit Vietnamesen nicht durchkämen. Das fängt schon bereits im Straßenverkehr an, wo die Polizei niemals Ausländer aufhält, wenn sie bei Rot über die Ampel fahren. Unter anderem, weil die Polizisten fürchten, dass sie sich nicht mit dem Sünder verständigen könnten. (Und möglicherweise auch, weil bei einem Ausländer die Chance geringer ist, dass er das Bestechungsgeld zahlt, anstelle sein Moped abzuliefern.)

Ich gebe zu, ich habe gestern zum ersten Mal bewusst von diesem Vorteil Gebrauch gemacht. Der Treffpunkt für die gestern ganztägig stattfindende Presse-Reise waren die Hanoi-Towers, moderne Büro-Gebäude mit einem überdachten Parkplatz, wie man sie aus europäischen Gebäuden kennt. Erst beim Rausgehen fiel mir allerdings das Preisschild auf, das besagte: Gebühren, 10.000 Dong pro Stunde. Angesichts meiner ganztägigen Abwesenheit wären da am Ende etwa 80.000 Dong rausgekommen. Zum Vergleich: Bei normalen Parkplätzen (von denen sich einer, wie ich dann erfuhr, an der Rückseite des Gebäudes befindet), zahlt man 1000, höchstens mal 5000 Dong (in den Abendstunden).

Ich war dann also also so dreist, und bin bei meiner Ausfahrt ganz dicht an die Schranke rangefahren, mit einem Blick, der besagte: „Hallo, hier bin ich, lass mich raus.“ Der Wächter fragte nach dem Ticket, und ich übergab es ihm ebenfalls, indem ich auf dem Moped sitzen blieb, ihn freundlich und bestimmt anlächelte, und so tat, als würde ich darauf warten, dass er jetzt bitte die Schranke öffnet.

Seine Reaktion war erst einmal ein erstaunter Blick auf das Ticket (ich gehe mal davon aus, dass normalerweise dort nur Gäste für etwa eine Stunde parken, niemals für einen ganzen Tag. Wer so viel Geld zu verschwenden hat, fährt sowieso Auto oder Taxi), dann ein Stirnrunzeln, und dann ein freundliches Nicken und ein Öffnen der Schranke.

In seinem Kopf spielte sich vermutlich folgendes ab: „Wenn ich ihm jetzt sage, dass er mehrere Zehntausend Dong zahlen muss, dann wird er sicherlich protestieren. Wenn er mich überhaupt versteht. Und diskutieren werden wir auch nicht können, weil er mich nicht verstehen wird. Und ich ihn sowieso nicht. Also lassen wir es einfach.“

Was ich insgesamt eine sehr vernünftige Haltung finde. Ich parke da auch bestimmt nie wieder.

(Und über rote Ampeln fahre ich übrigens auch nicht. Schon allein, weil ein paar Minuten lang in der ersten Reihe zu stehen eine angenehme Möglichkeit ist, mal gerade keine Abgase einatmen zu müssen.)

Es ändert natürlich trotzdem nichts an der Tatsache, dass „Ich verstehe nicht“ kein Argument für einen deutschen Parkplatzwächter wäre. Der würde vermutlich im Gegenteil dann gerade erst recht die Polizei rufen, denn ein Ausländer, der nichts versteht, muss ja ein Verbrecher sein.

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