„Mega“-Wochenende

In Deutschland würde man so etwas vermutlich ein Super-Wochenende nennen. Oder sogar ein Mega-Wochenende oder ein Unbeschreibliches-Superlativ-Wochenende.

Erst (Samstag) der Geburtstag von Ho Chi Minh. Dem Staatsgründer, dem ewigen Präsidenten, dem Mythos, dem Vorbild, dem Über-Gott des Landes. Am Sonntag schließlich die Wahl für das Parlament. Ja, selbstverständlich, auch in einem sozialistischen Land wird gewählt. Die Nationalversammlung hat in etwa 500 Sitze, und es standen 876 Kandidaten zur Wahl.

Damit enden dann allerdings die Gemeinsamkeiten zu europäischen Parlamentswahlen. In jedem Wahldistrikt hingen Zettel mit fünf Kandidaten aus, davon durfte man zwei „streichen“. Auf den Zetteln standen die „Lebensläufe“ der Kandidaten. Hieß es zumindest immer im Radio. Tatsächlich stand da eigentlich nur, wo jemand gerade arbeitet, und welchen Hochschulabschluss er hat.

Das Parlament trifft sich zweimal im Jahr, jeweils für zwei Monate. Einmal im Frühjahr und einmal im Herbst. Daraus lässt sich schon ersehen, dass die meisten Parlamentarier keine Profi-Politiker sind, denn von vier Monaten Arbeit im Jahr ließe sich schlecht leben. Ebenfalls NICHT auf den Zetteln stand, wofür die verschiedenen Kandidaten eigentlich stehen. Es ließ sich auch nicht wirklich in Erfahrung bringen, denn es gab auch keine Wahlkampftouren, öffentlichen Auftritte oder ähnliches. Ein Bekannter stellte auch trocken fest, dass keiner der fünf Kandidaten, die in seinem Wahlkreis zur Wahl standen, tatsächlich aus dem Wahlkreis stammte.

Anders gesagt: Man hat die Wahl, und irgendwie hat man sie auch wieder nicht. Ein Busfahrer erklärte mir, da er keinen der Kandidaten kenne, habe er in der Wahlkabine einfach alle durchgestrichen. Was ein bemerkenswertes Mittel zur Protestwahl ist. Fernbleiben hingegen gilt nicht, denn wer seinen Wahlzettel nicht vor der Kabine abgibt, der muss in den folgenden Tagen damit rechnen, dass jemand an seiner Tür klopft, und fragt, warum.

Dabei hat sich das Parlament durchaus einiges an Zusatzqualifikationen erkämpft in den vergangenen Legislaturperioden. Es hat nominell nun eine stärkere Überwachungsfunktion und manche Abstimmungen werden durchaus kontrovers diskutiert. Auch der Partei-Zwang ist hier nicht so, wie man ihn aus der DDR kennt, wo der Großteil der Bevölkerung schlichtweg in der Partei sein musste. Die „selbständigen“ Kandidaten, die es diesmal in hoher Zahl gab (etwa 200), sind allerdings trotzdem irreführend. Sie bedeuten zunächst mal nur, dass sie nicht durch eine andere Vereinigung oder Behörde nominiert wurden, sondern sich selbst nominiert haben. Es können also durchaus sogar Partei-Mitglieder so genannte „Selbständige“ sein.

Alles in allem ist das dann doch eher geringe Interesse der Bevölkerung auf Faktoren zurück zu führen, die ja auch in europäischen Wahlen vorkommen: Echte Konkurrenz und echter Wettbewerb und die Angst vor einem „Übel“ als Wahlgewinner stacheln zur Wahl auf. Daher ja auch die hohe Wahlbeteiligung jüngst in Frankreich, und umgekehrt oft die fallende Wahlbeteiligung bei so vielen anderen Wahlen (wenn man das Gefühl hat „dass doch eh alle Parteien gleich sind“).

Da es hier kein echtes „Übel“ gibt, das schlimmer wäre als ein anderes „Übel“, ist das Interesse an den Kandidaten naturgemäß nicht besonders ausgeprägt.

Ach so, ein „Übel“ gibt es am Wahltag natürlich doch. Es nennt sich Lautsprecher, und weckt unschuldige Menschen schon um 6 Uhr morgens mit den scheinbar um einige Dezibel als normal lauter gestellten Hinweisen, dass heute Wahltag ist und man bitte zur Wahl gehen solle. Gefolgt von Musik.

Das ist besonders dann nett, wenn man angesichts der Hitze das Fenster hatte offen stehen lassen.

2 Responses to „Mega“-Wochenende

  1. Gaby says:

    Ich denke, Vietnam ist ein kommunistisches Land und nicht ein sozialistisches. Für mein Empfinden ist das ein großer Unterschied.

  2. admin says:

    Vietnam nennt sich offiziell „sozialistische Republik“ und verfolgt offiziell einen Kurs „Marktwirtschaft mit sozialistischer Orientierung“. Von „Kommunismus“, also einer klassenlosen Gesellschaft ohne Privateigentum, sehe ich hier weit und breit nichts, und das wird auch offiziell so nicht (mehr) propagiert. Auch wenn einige in der Führung nach wie vor davon ausgehen mögen, dass dieser derzeit existierende Sozialismus die Vorstufe zum Kommunismus bildet.

    Die Realität geht aber in eine andere Richtung. „Marktwirtschaft“ eben. Eine Marktwirtschaft, in der es nach wie vor viele Staatsbetriebe gibt, die aber nach und nach teilprivatisiert werden. Ein Teil der Verpflichtungen, der WTO anzugehören schließt ja den Übergang in eine Marktwirtschaft mit ein. Das wiederum passt aber überhaupt nicht zu einer „kommunistischen“ Wirtschaft. Also wie man es dreht und wendet „Marktwirtschaft mit sozialistischer Orientierung“ passt , denke ich, gar nicht schlecht. Vor allem, wenn man das liest als: „Marktwirtschaft, die von einer sozialistischen Einheitspartei gelenkt wird“.

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