Makabere Versorgungsprobleme

Die Zahl der vollstreckten Todesstrafen in Vietnam ist eine eher verschwiegene Zahl. Sie ist nicht direkt geheim, aber sie ist erstaunlich schwer zu ermitteln. Medien berichten zwar immer wieder von Hinrichtungen oder auch von Verurteilungen, aber bei der exakten Jahresstatistik hält man sich sehr bedeckt.

Jetzt hat ein ganz besonderes Problem dafür gesorgt, dass die Zahl zumindest indirekt auftauchte. Im vergangenen Juli hatte das Parlament per Gesetz beschlossen, die Hinrichtungsart von Erschießungskommando auf Giftspritze zu verändern. Ziel sei eine „humanere“ Hinrichtung gewesen, hieß es damals.

Nun stellt sich heraus: Vietnam besitzt bis heute gar nicht das entsprechende Gift. Drei entsprechende Zentren sind gebaut, zwei weitere (in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt) sind im Bau – aber keines davon verfügt über die für die Spritzen notwendigen Substanzen. Mehr als 100 Hinrichtungen seien deswegen seit vergangenem Jahr nicht durchführbar gewesen, erklären die Behörden. Insgesamt warten seit der Gesetzesänderung im Juli aktuell 400 Personen auf die Vollstreckung (wobei nicht ganz klar wird, ob das tatsächlich bedeutet, dass es seit Juli 400 Verurteilung gegeben hat, oder ob davon auch Verurteilungen vor dem neuen Gesetz betroffen waren). Auf Englisch zu finden ist die Meldung unter anderem bei Reuters.

Die vietnamesische Zeitung Thanh Nien erklärt, das Versorgungsproblem liege unter anderem an einem europäischen Gesetz, das den Export des Giftstoffes Pentobarbital für Hinrichtungszwecke verbietet. Darunter leideten auch andere solcher Hinrichtungszentren, unter anderem der US-Bundesstaat Oklahoma, der angeblich nur noch eine Dosis zur Verfügung hat. Die Geschichte wird unter anderem hier bestätigt, dort heißt es allerdings, die dänische Herstellerfirma weigere sich, den Wirkstoff zu liefern (weil er aus ihrer Sicht eine Medizin und kein Giftstoff ist), und mögliche Alternativprodukte seien durch EU-Gesetze verboten.

Alles in allem klingt das für die vietnamesischen Hinrichtungszentren nicht gut. Eher schon für die Insassen.

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