Kim, König von K

Es gibt 193 offiziell anerkannte Staaten. Das ist ziemlich viel, und viel schlimmer ist: Die Staaten haben noch nicht einmal den Anstand, diese Zahl konstant zu halten. Plötzlich bilden sich einfach neue, oder alte gehen ein. So wie die DDR. Schwer, da den Überblick zu behalten, zugegeben. Oder könnten jemand jetzt spontan sagen, wo Vanuatu liegt?

Da kann man schon mal ins Schleudern kommen. Horst Köhler, seines Zeichens Bundespräsident von Staat Nummer 35 (Deutschland), war vor kurzem zu Besuch bei Staat Nummer 190, Vietnam. Er war damit der erste deutsche Bundespräsident, der Vietnam besuchte. Immer nur „Bundespräsident“ in Artikeln schreiben, ist redundant, und deswegen schrieben manche Online-Zeitungen auch einfach „das erste deutsche Staatsoberhaupt„.

Was falsch ist. Man mag ja nun von den DDR-Staatsoberhäuptern halten, was man will, aber man kann ihnen dann irgendwie doch nicht absprechen, dass sie Deutsche waren.

Nun machen es die 193 Staaten (plus einem Dutzend weiterer, deren Anerkennung noch umstritten ist) einem eben auch nicht einfach mit ihrer ständigen Neustrukturierung. Kann man also schonmal vergessen, dass jemals so etwas wie die DDR existierte (ist ja auch schon ziemlich lange her). Dafür glänzt dann eine offizielle Pressemitteilung der CDU/CSU mit wahrhaft profundem Geographie-Wissen, und dem Beweis, dass 193 Staaten einfach zu viel sind.

„Anlässlich der beginnenden Asien-Reise von Bundespräsident Köhler erklärt die Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Erika Steinbach MdB: Bundespräsident Köhler setzt mit seiner Asien-Reise positive Signale für Menschenrechte.“

Das stimmt mal so weit. Köhler hat in Vietnam angemerkt, dass gewisse Verurteilungen inklusive Strafmaß (mehrere Jahre Gefängnis) sich den Europäern „sich nicht unmittelbar erschlossen“ hätten. Was eine sehr nette Formulierung ist, die sich aber schon sehr schwierig ins Englische übersetzen lässt. „Did not immediatly become clear to us„, ist dann doch nicht so ganz dasselbe. Was also in Vietnamesisch von dieser sehr diplomatischen Aussage ankam, bleibt ungewiss.

Die CDU/CSU schreibt jedenfalls weiter:

Nicht viel besser ist es um die Menschenrechte in Vietnam bestellt. Presse- und Meinungsfreiheit sind nicht garantiert.

Und dann:

Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ hat den Generalsekretär der regierenden Arbeiterpartei, Kim Jong-il, auf die Liste der „größten Feinde der Pressefreiheit“ gesetzt.

Kim, der König von K… Vietnam. Interessant. Als ich das letzte Mal hinsah, saß Kim noch in Korea (Nord, Staat Nummer 84), und in Vietnam regierte die Arbeiterpartei ein gewisser Nong Duc Manh.

Es geht jedenfalls weiter:

Auch in der Rangliste von Reporter ohne Grenzen zur Lage der Pressefreiheit weltweit rangiert Vietnam mit Rang 155 von 168 untersuchten Ländern am Ende der Pressefreiheit. In der jüngsten Vergangenheit wurden elf Journalisten, Internet-Dissidenten und Menschenrechtsaktivisten zu Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren verurteilt. Auch die Situation von christlichen Minderheiten in Nordkorea ist desolat. Nordkorea steht zum vierten Mal in Folge an der Spitze des Weltverfolgungsindexes der überkonfessionellen Organisation Open Doors. […] Inhaftierungen in Zwangserziehungslagern und Folter. Jüngstes Beispiel ist die Verurteilung des Pfarrers und Journalisten Nguyen Van Ly zu acht Jahren Gefängnis.

Besagter Nguyen Van Ly ist in der Tat Vietnamese. Der Rest… ja, du lieber Himmel. Scheint ganz so, als würde die CDU/CSU da gerade ihre ganz eigene, ganz persönliche Achse des Bösen konstruieren: Nordkorea, Vietnam und das Erdkundelexikon.

PS: Die Pressemitteilung ist übrigens mittlerweile von den Webseiten der CDU/CSU verschwunden. Der Google-Cache ist allerdings eine wunderbare Sache. Falls der versagt, ist zumindest auf die Archivare von pressrelations.de Verlass.

PPS: Vanuatu liegt im Pazifik.

4 Responses to Kim, König von K

  1. daniel says:

    hi david,
    hab lange überlegt ob ich das kommentieren soll, es ist mir aber so wichtig, dass ich es trotzdem tue:
    was soll deine formulierung ? ist für dritte ganz schön mißverständlich, was liegt oder lag denn noch auf diesem ominösen gebiet? polen, frankreich, kenia? du meinst es nicht so, aber es ist sehr unpräzise. außerdem lag die DDR nicht auf deutschem boden, sondern ist deutschland gewesen, eben der andere teil.

    edit: hm, fantastisch, da sind jetzt die zitate aus deinem text nicht mitgesendet worde. also die textstelle die mich ärgert ist: …dass jemals so etwas, wie die DDR auf deutschem boden existierte…

  2. admin says:

    Ich muss ja zugeben, ich verstehe deine Empörung nicht ganz, und der Halbsatz sollte nur noch einmal genau das unterstreichen, was du ja auch gesagt hast: Dass das eben Deutschland war, „nur der andere Teil“.

    Da mir nun aber auch nicht unbedingt viel daran liegt, habe ich ihn geändert. Frankreich lag selbstverständlich nie auf deutschem Boden, Polen auch nicht, Preußen lag auf preußischem Boden, und für eine gewisse Zeit lag Oberschlesien mal auf deutschem Boden. Wie du mir daraus jetzt Revisionismus unterstellen willst, ist mir ein wenig schleierhaft.

  3. daniel says:

    hi david,
    ich will dir keinen revisionismus vorwerfen, das steht auch deutlich in meinem ersten kommentar. ich fand die formulierung krass, und wollte dir mal meine außenwahrnehmung dazu geben. danke, dass du die stelle geändert hast.

  4. Martin says:

    Daniel….ts,ts,ts,ts,ts viel interessanter als deine Pingelei ist doch, dass die Erdkundelehrer in Bayern(?) anscheinend soviel taugen wie die in RLP…. :-)
    Und David, was mich nun wirklich stört, ist, dass du den wissenden Leser mit deinem PPS beleidigst…. Wer von uns hätte denn nicht gewußt, dass Vanuatu im Pazifik liegt?! :-)
    m

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert