Oben nach unten und unten nach oben

Ich habe mittlerweile festgestellt, dass das Benutzen von Aufzügen offenbar eine zivilisatorische Eigenschaft ist, die man sich erst antrainieren muss. Das ist zwar einerseits nicht sonderlich verwunderlich, immerhin sind Aufzüge Hilfsmittel, die nur Gesellschaften benötigen, die hohe Bürohäuser oder Wohnsilos bauen können. Andererseits erschien mir ein Aufzug bislang immer als ein recht simpel zu bedienender Gegenstand. Man steigt ein, man drückt auf einen Knopf, man fährt hoch. Oder runter.

Genau hier ist aber das erste Problem. Erstaunlich viele von jenen Vietnamesen, die, so nehme ich mal an, in ihrem Alltag nicht in Bürohochhäusern oder Wohnblöcken stehen, scheitern im Alltag bereits an dem Hoch/Runter-Teil. Sie verstehen offenbar nicht, dass derjenige, der runterfahren will, den Pfeil nach unten drückt. Stattdessen glauben scheinbar viele, dass die Pfeile dazu da sind, den Aufzug „nach unten“ zu rufen. Befindet er sich also gerade im 13. Stock, und man selbst steht im Erdgeschoss, dann drücken sie den Pfeil „nach unten“. Obwohl sie hochfahren wollen.

Ebenso häufig zu beobachten sind jene, die einfach mal vorsorglich beide Pfeile drücken, sicher ist sicher, und dann, wenn der Aufzug hält, die darin stehenden Fahrgäste fragen, ob sie gerade hoch oder runter fahren, um dann schließlich enttäuscht zu erklären, dass sie in die andere Richtung wollen. Dass sie den Aufzug selbst gerufen haben, kommt ihnen augenscheinlich nicht in den Sinn.

Ebenfalls vorkommend: Eltern, die es offenbar amüsant finden, wenn ihre Kinder im Inneren des Aufzugs alle Knöpfe drücken. Und Familien, die den leeren Aufzug für noch nicht am Ort erschienene Familienmitglieder aufhalten. Gerne auch mal mehrere Minuten lang. In der Zeit hätte der Aufzug längst schon andere Fahrgäste zweimal befördern können.

Und schließlich, aber das liegt wohl eher an den Aufzugfirmen und den unterschiedlichen internationalen Standards, Personen, die mit dem „G“ für groundfloor (Erdgeschoss) nichts anfangen können, und dann in den 1. Stock fahren, weil üblicherweise hier (auch im Sprachgebrauch) der erste Stock für das Erdgeschoss steht (was ja nicht unlogisch ist, es wird nur verwirrend, wenn plötzlich verschiedene Zählweisen auftauchen).

Das alles ist hier fast täglich zu beobachten, wenn man selbst in einem mehrgeschossigen Haus wohnt oder arbeitet, und es führt zu dem Schluss: Aufzugfahren muss man lernen. Oder beigebracht bekommen. Andernfalls drohen erhebliche Fallstricke bei einer scheinbar sehr simplen Tätigkeit. Man lernt auch nie aus: Selbst ich durfte noch dazulernen, dass in immer mehr Aufzugmodelltypen es möglich ist, falsch gedrückte Knöpfe wieder rückgängig zu drücken.

Eine sehr hilfreiche Erfindung, wenn vorher mal wieder Kinder im Aufzug standen, deren Eltern es unglaublich spannend fanden, wie viele Knöpfe die Kleinen schon drücken können.

One Response to Oben nach unten und unten nach oben

  1. Uwe says:

    haha…. das kommt mir sehr bekannt vor. Als ich mich mit meinen (vietnamesischen) Schwiegereltern in einem Frankfurter Einkaufszentrum im 3. Stock am Fahrstuhl verabredet habe, hat das gaaaaaaaaanz lange gedauert, bis wir uns wiedergefunden haben.

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