Das Hausmädchen

Ich dachte bislang immer, Haushälterinnen, die über 30 Jahre alt sind, sind unverheiratete oder verwitwete Frauen. Heute habe ich eine Frau kennen gelernt, die mir erzählte, sie habe sehr wohl einen Mann. Und vier Kinder. Alle fünf leben „auf dem Land“, also mindestens ein paar Autostunden entfernt von Hanoi. Da der Mann nicht genug Geld verdient, arbeitet sie in Hanoi als Hausmädchen, um den Kindern die Schulbildung zu ermöglichen.

Man bedenke: Die Arbeit als Haushälterin ist normalerweise ein 7/7-Tage-Job. Die Mutter sieht Ehemann und Kinder also nur an besonderen Tagen, wenn sie einmal Urlaub bekommt. Beispielsweise während der Reisernte, wo sie heimfahren darf, um… eben bei der Reisernte zu helfen.

2 Responses to Das Hausmädchen

  1. Patrick says:

    Das ist hier (Thailand) genau so und liegt groesstenteils an den Grossfamilien. Viele Muetter ziehen in besser verdienende Gegenden und lassen die Kinder zuhause von ihren Eltern oder Schwestern aufziehen.

    Viele, ehm, Touristen sind manchmal sehr verwundert, wenn ihre, ehm, thailaendische Freundin ploetzlich ein Kind mitbringt.

    Ein Freund erzaehlte mir neulich, dass er sich eines Tages gewundert hat, warum er drei Muetter hat statt nur zwei, wie „normale“ Familien. Mutter 1 war die „echte“, Mutter 2 die Schwester seiner Mutter, die ihn aufgezogen hat und Mutter 3 die Mia Noi (Nebenfrau) des Vaters.

  2. m says:

    Zuerst eine Vorbemerkung: Ich erkläre nur kulturelle Unterschiede. Ich rechtfertige nichts. Und ich will auch um nichts in der Welt mit dieser Frau tauschen.

    Aber dieses Haushaltsmädchen würde sich sicher sehr wundern, dass Du eine unverheiratete oder verwittwete Haushälterin in Hanoi weniger erwähnenswert fändest als eine mit einer Familie, die sie fast nie sieht. Denn immerhin: Dieses Hausmädchen hat einen Mann, vermutlich auch Schwiegereltern, Geschwister, …und vier Kinder. Die leben miteinander, kümmern sich alle umeinander. Sie selbst hatte die große Ehre (kommentiere ich jetzt nicht), von der Großfamilie zum Geldverdienen außerhalb des Heimatdorfes auserkoren zu sein. Das ist ein übliches Rollenbild: Für die leichte (kein Kommentar) Arbeit Kinderbetreuung sind die Großeltern da. Die Elterngeneration schafft das Geld ran. Und weil man in einer traditionellen vietnamesischen Familie tut, was das Familienoberhaupt sagt oder was der Familienrat beschließt, füllt sie eben den ihr von der Familie auserkorenen Platz aus. Um fast jeden Preis. Klar, dass man da sicher auch Tränen schlucken muss. Aber immerhin weiß sie: Irgendwann steht auch sie in der Familienhierarchie weiter oben. Dann darf sie in ihr Heimatdorf, zu ihrer Familie und zum Ahnenaltar zurückkehren und es sich gut gehen lassen. Und wenn sie mit ihrem Geld was für eine Schulbildung der Kinder tut, dann werden die auch dafür sorgen, dass es ihr gut geht. Wie gesagt, ich rechtfertige nichts.

    Wenn mir dabei das irdische Jammertal einfällt, das alte Entsagungslied und das Eiapopeia vom Himmel, liegt das an meiner anderen Sozialisation. Doch ganz so`n Wintermärchen ist’s ja doch nicht: Denn sie will ja auf Erden schon … na, Du weißt: Wenn der älteste Sohn verheiratet ist, er Kinder hat, die betreut werden müssen, dann hat sie nicht nur eine andere Rolle in der Großfamilie. Und eine Schwiegertochter, die ihr alle Wünsche von den Lippen abliest. Und Kinder, die ja durch die Großfamilie zu Gehorsam erzogen wurden. Auch der abwesenden Mutter gegenüber. Ob es in Vietnam bis dahin einen Wertewandel gegeben hat und es mit dem Gehorsam nicht mehr so weit her sein könnte, das ist ein Gedanke, den man in der Situation sicher verdrängt. So wie wir den Gedanken an die Rente. Schlägt dann der Wertewandel zu – naja Du wirst solche Beispiele kennen – wird es brutal. Für alle beteiligten Generationen.
    Und dass das Hausmädchen ganz nebenher mit Geld für Bildung für ihre Kinder auch ein wenig an dem Ast sägt, auf dem sie sitzt, ist nicht ausgeschlossen. Denn Bildung soll ja zu mehr selbstbestimmten Lebensentwürfen der Kinder führen. Aber vielleicht ist das ja in Vietnam anders. Da bist Du näher dran als ich.

    Es ist schon erstaunlich, worum Vietnamesen uns Langnasen bedauern: Dass wir einmal im Altersheim anonyme Pflegefälle werden statt mit unserer Altersweisheit (kommentiere ich nicht) die Geschicke der Familie zu lenken. Dass manche Deutsche allein in einer Wohnung leben und sich doch einsam fühlen müssten. Dass bei uns Kinder durch die ganze Wohnung rufen, wenn sie was von den Eltern wollen, statt zu ihnen zu kommen und leise und demutsvoll ihr Anliegen vortragen. Alles jetzt ohne Kommentar von mir. Denn das wäre die andere Seite des Themas.
    Für viele Vietnamesen gilt es als das schlimmste aller möglichen Schicksale, überhaupt keine Familie zu haben. Und, mal ehrlich: Wenn man sich die ganzen traditionellen Hierarchien wegdenkt, die unsere Kultur (glücklicherweise, hier komme ich einfach nicht aus ohne Kommentar) über Bord geworfen hat, ein Gedanke ist mir nicht fremd: Es ist bestimmt schöner, Angehörige unerreichbar weit weg zu wissen als gar keine zu haben. Und zu wissen, irgendwann …

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