Entliebt

Als mit Philipp Rösler zum ersten Mal ein vietnamesischstämmiger Politiker Minister in Deutschland wurde, war die hiesige Presse voll davon. Rösler war Popstar. Über den Fall der FDP hingegen wurde nach der Bundestagswahl kaum berichtet. Gefallene Helden scheinen sich weniger zum Popstar zu eignen (zumindest wenn sie ihren Fall nicht mit sehr viel Whisky und Zigarretten zelebrieren und eine Platte darüber machen).

Das Entlieben hatte aber offenbar bei einigen Teilen der Bevölkerung schon vorher begonnen, und zwar exakt zum Zeitpunkt des vorläufigen Höhepunkts der Liebesbeziehung: Seinem Besuch 2012 in Hanoi. Das interessante daran ist, dass ich den Besuch aus deutscher Sicht eigentlich eher als positive Annäherung empfunden hatte. Während Rösler die Zuneigung der Vietnamesen bis dato eher unangenehm schien, was, ehrlich gesagt, auch nicht so verwunderlich ist für einen Mann, der außer seiner genetischen Abstammung ja nun wirklich überhaupt keinen Bezug mehr zu Vietnam haben konnte, öffnete er sich spürbar während seines Besuches hier. Zum Vorschein kam ein Mensch, der sich angesichts seiner Popularität in Vietnam, und auch angesichts der Orte, die er besuchte (darunter das „Dorf der Freundschaft“, ein Heim für Agent-Orange-Opfer in der Nähe von Hanoi), erstmals öffentlich mit seiner vietnamesischen Familiengeschichte zu befassen schien. Zumindest war er augenscheinlich nachdenklich, und deutete erstmals in Interviews die Frage an, was aus ihm geworden wäre, hätten ihn seine deutschen Adoptiveltern nicht aufgenommen. (Ich rede bewusst vom öffentlichen Bild – ich maße mir nicht an, zu spekulieren, was der Mensch Rösler im stillen Kämmerlein so alles für Gedanken wälzt).

Das mediale Interesse für ihn jedenfalls war gewaltig. Staatsbesuch gibt es alle Tage, gerade in Hanoi, aber selten werden Politiker mit solchen Menschenaufläufen empfangen. Die neu-nachdenkliche Seite hatte aber ihre Grenze. Bei einer öffentlichen Veranstaltung erklärte Rösler sehr bestimmt und entschieden, er sei als „Deutscher“ gekommen. Das stimmt natürlich auch.

Für manche Vietnamesen aber war diese Betonung offenbar ein Schlag mit dem nassen Handtuch ins Gesicht. „Er hätte ja wenigstens ein klein wenig Verbrüderung zeigen können“, erklärte mir unlängst eine vietnamesische Journalistin. „Ich verstehe ja, dass er Deutscher ist, aber als Gast hätte er doch ein bisschen auch auf seine vietnamesische Abstammung stolz sein können. Uns gegenüber.“ Seitdem, sagt sie, mochte sie ihn nicht mehr.

So ist das mit Liebesgeschichten. Im Moment des größten Triumphs liegt manchmal der Kern des Scheiterns.

One Response to Entliebt

  1. Fat Chinese says:

    Ja diese deutsche Ehrlichkeit und deutsche Liebe zur Konfrontation…zeichnet ihn wirklich als Deutschen aus…und konnte tatsächlich kaum Anklang finden….es wäre daher eh nur eine Vernunftehe gewesen um im Bild zu bleiben….c’est la vie!

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