Eine lange Liste

151 Begriffe zu finden, mit denen man ein Land beschreibt, ist schwieriger, als es zunächst scheint. Im Vorwort zu „Vietnam 151“ hatte ich geschrieben, dass die Auswahl der Begriffe vermutlich sehr viel über den Autor aussagt, und dass bei der Aufgabenstellung, Deutschland mit 151 Kapiteln zu beschreiben, unter zehn Personen vermutlich 1000 Begriffe heraus kämen. Das wiederum mag etwas übertrieben sein, denn ebenso ist denkbar, dass am Ende bei diesen imaginären zehn Personen erstaunlicherweise doch eine Reihe ähnlicher Begriffe herauskommen.

151 Begriffe sind nämlich ziemlich viel.

Die Sache läuft ungefähr so ab: Der Verlag erklärt einem das Konzept, und sagt, man solle doch als ersten Schritt mal die Liste mit den 151 Kapiteln zusenden. Die Liste sei nicht endgültig, man könne da durchaus später noch Sachen ändern oder ergänzen, aber der Verlag hätte eben gerne einen Überblick. Vorgabe: Möglichst viele Begriffe aus vielen Bereichen. Kultur, Alltag, Essen, Kurioses und Erhabenes, Kleinigkeiten und philosophische Schwergewichte wie „Tod“ oder „Geburt“. Mischung eben.

Man legt los.

Nach etwa 50 Begriffen hat man Angst, wie schnell das geht, und ob 151 Begriffe überhaupt reichen, weil es ja so viel zu erzählen gibt über Vietnam. Bei etwa 100 Begriffen fällt einem nichts mehr ein. Können auch 110 Begriffe gewesen sein.

So jedenfalls war es bei mir. Klar sind einige Klassiker schnell gefunden. Verkehr, Pho, Wasserpuppen. Zitronensaft. Tet. Solche Dinge. Man bildet sich so seine Unterkategorien, und während sich die Kategorie „Essen und Trinken“ rasend schnell füllt, bleibt die Unterkategorie „Gesundheit“ ziemlich leer und wird am Ende als sinnlose Unterkategorie mit einer anderen verschmolzen.

Tatsächlich gab es Begriffe, die auf meinem ersten Entwurf standen, die es aber nie ins Buch geschafft haben. Unter anderem „Werbung“, „Gold“, „Strand“ und „Tuong-Theater“. Auch das Kapitel „Schimmel“ kam nie zustande. Ein Kapitel „Pangasius“ wiederum war schon komplett fertig (und skizzierte den verwirrenden Handelsstreit samt Namensgebung um den vietnamesischen Exportschlager), aber scheiterte am Ende daran, dass sich kein vernünftiges Foto auftreiben ließ. Denn das ist bei „151“ schließlich noch der zweite wichtige Bereich, den es zu bedenken gilt: Lässt sich das Kapitel überhaupt bebildern? (Dazu in einem späteren Blogeintrag mehr).

Umgekehrt kamen im Laufe des Schreibens Kapitel dazu, an die ich im Vorfeld gar nicht gedacht hatte. Das Kapitel über den Landarzt konnte nur deswegen entstehen, weil ich im Sommer 2012 einen Workshop für Medizinjournalisten samt Exkursion geleitet habe. Das Kapitel über die Trauerfeier fügte sich selbst hinzu – nach einem Todesfall in der Familie. Einem extra für das Buch gestarteten Ausflug nach Ho-Chi-Minh-Stadt verdankt sich das Kapitel übers Briefe schreiben.

Das seltsame an der Sache: Man fängt plötzlich an, in Kapiteln und Bildern zu denken. Auf dem abendlichen Nachhauseweg, einen Tag nachdem ich mit entschieden hatte, „151“ zu machen, erfasste mein Gehirn plötzlich alles um mich herum in Kapitel-Kategorien. (Aus diesem Erlebnis stammt, glaube ich, auch noch das nie vollendete Kapitel „Werbung“ – es war so einiges an Werbung zu sehen…).

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich dann auch, dass ich mich richtig entschieden hatte, das Buch zu schreiben.

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