151, Kapitel 8: Kakerlake

Das Foto zu diesem Kapitel gehört mit zu den kniffligsten des Buches, es stand mit einer Handvoll anderer Motive bis kurz vor Schluss auf meiner „To Do“-Liste, und ich hatte lange Zeit keine Ahnung, wie ich es organisieren sollte.

Das Problem ist nämlich folgendes: Kakerlaken sind eigentlich nachtaktiv. Sie bevorzugen die Dunkelheit, und lassen sich überwiegend nachts erwischen, wenn man in der Küche das Licht anschaltet, und eine Kakerlake schnell über den Boden huscht und unter der nächsten Schrankritze verschwindet.

In diesen Situationen allerdings hat man leider entweder keinen Fotoapparat zur Hand, oder bis man ihn geholt hat, ist es schon zu spät (wie gesagt: huschen). Ganz zu schweigen von der Frage, wie man im Halbdunkel des funzligen Küchenlichts genug Helligkeit erzeugt, um eine Kakerlake angemessen fotografisch in Szene zu setzen.

Es war also weniger ein Problem, generell ein Motiv zu finden (so wie bei der Frage, wie ich das Kapitel über Mücken bebildern soll), als vielmehr – das Motiv auch tatsächlich in flagranti zu erwischen. Nun ist es ja so, dass einem in Vietnam gefühlt überall Kakerlaken begegnen, aber auch das stellte sich als typischer Fall von Vorführeffekt dar: Wenn man eine sucht, findet sich garantiert keine.

Ich erinnerte mich schließlich, dass eine meiner frühen Wohnungen in einer alten, schmalen Gasse lag, mit Torbögen und eng bebauten Häusern auf beiden Seiten. Dort tummelten sich auch tagsüber Kakerlaken im Halbschatten. Sie krabbelten sogar in Scharen die schattigen Wände hoch. Also fuhr ich dort hin, Kamera im Anschlag – nur um festzustellen, dass die alte, schmale Gasse einer neuen, sauberen betongesäumten Gasse gewichen war, in der meilenweit keine Kakerlake ihren Fühler hervorstreckte. Hanoi ist manchmal rasend schnell in seiner Entwicklung.

Am Ende half der Zufall.

Das Foto zu Kapitel 8 stammt von meinem Balkon. Dort saß eines Morgens, im gleißendflutenden Sonnenlicht der Herbstsonne, eine fette Kakerlake. Ich vermute ehrlich gesagt, dass sie krank oder verwundet war. Wenn man genau hinsieht, fällt nämlich auf, dass der Kakerlake der rechte Fühler fehlt. Sie reagierte auch nicht aufs Fotografiertwerden.

Es war und bleibt bis heute das einzige Mal, dass ich mich über eine Kakerlake auf meinem Balkon gefreut habe.

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