Wissen mit Blut

Manchmal lernt man noch richtig interessante Dinge beim Arbeiten. Zum Beispiel, dass in Vietnam auf 10.000 Einwohner angeblich nur zwei kommen, die Rhesus-negativ sind. Sagte zumindest ein ehemaliger Soldat, der zu dieser verschwindend geringen Minderheit gehört, und deswegen regelmäßig zur Blutspende geht.

Für alle, die den Biologie-Unterricht schon wieder vergessen haben: Blutgruppe mit negativem Rhesusfaktor bedeutete grob gesagt, dass man nur Blut von ebenfalls negativen Spendern erhalten kann, weil der Rhesusfaktor ein Eiweiß ist, gegen das der Mensch Antikörper entwickelt, wenn er es nicht besitzt. Ich hatte das zugegebenermaßen allerdings auch alles wieder vergessen und musste mir es wieder anlesen.

Ich musste mir es vor allem deswegen anlesen, weil die betreffende Redakteurin überhaupt nicht genau wusste, was eigentlich Blutgruppen sind. Ich habe dann nicht gefragt, wie das hier in Vietnam mit dem Biologie-Unterricht ist.

Ich hab mich nämlich vor der Antwort gefürchtet.

Was daran liegt, dass ich vor ein paar Wochen schon mal jemanden gefragt habe, ob sie denn in Physik nicht Licht und Weltraum und solche Themen durchgenommen hätten, wie man sie in Deutschland durchnimmt.

Der betreffende Vietnamese sagte dann, er erinnere sich nicht mehr genau an den Physik-Unterricht. Um Licht und Mond und „Kraft gleich Masse plus Zeit“ (oder so ähnlich) sei es aber nicht gegangen. Sie hätten stattdessen unglaublich viele sehr, sehr komplizierte Formeln auswendig lernen müssen, unter anderem, wie man Atombomben baut.

Ich hab dann lieber nicht weitergefragt.

Zurück zum Blut. In Deutschland haben etwa 40 Prozent Blutgruppe A, in Asien dagegen hat der größte Teil Blutgruppe B. Was mir ganz entgegen kommt, wenn ich mich nämlich dunkel erinnere, bin ich ebenfalls B.

Allerdings dummerweise Rhesus-negativ.

Ich hoffe, die internationalen Krankenhäuser haben da genug richtige Konserven. Oder vielleicht sollte ich auch schon mal für mich selbst Blut spenden gehen. Möglicherweise komme ich dann auch mal ins Radio.

3 Responses to Wissen mit Blut

  1. m says:

    Das wundert mich.
    Nach meiner Erfahrung verfügen Vietnamesen mit Abitur über beneidenswert gutes naturwissenschaftliches Schulwissen. Also, ich meine jetzt nicht auswendig gelernte Fakten, sondern durchaus mehr. Ich habe zum Beispiel mal einem Vietnamesen in Deutschland fasziniert zugehört, als er mir das Heizungssystem in einem Mehrfamilienhaus erläuterte. Das ist ja nicht unbedingt etwas, was er in der vietnamesischen Schule auswendig gelernt haben kann, denn wo wird in Vietnam schon geheizt? Und mit seiner Studienrichtung Finanzwirtschaft hat das auch wenig zu tun. Auch fallen vietnamesische Schüler in Deutschland, die erst während ihrer Schulzeit einreisen, durch gute Kenntnisse in Mathe und Naturwissenschaften auf.
    Hingegen ist das Niveau in Fremdsprachen und beispielsweise Geschichte schon sehr gering. Wobei ich noch gar nicht mal von europäischer Geschichte spreche. Das reproduktiv gebimste Faktenwissen hält kritischen Nachfragen oft überhaupt nicht stand. Und Fremdsprachenunterricht scheint mir oft so stattzufinden, wie bei uns Latein: Man lernt hauptsächlich Grammatik und spricht nicht.
    Oder beispielsweise: Vieles, was uns als Allgemeinwissen erscheint, wissen nur sehr wenige Vietnamesen. Beispielsweise habe ich mal mit einer Ärztin darüber diskutiert, in welchen Jahren Olympische Spiele stattfinden. Sie hatte eigentlich keine Ahnung.
    Aber zurück zu Deinen Beobachtungen über die schlechten naturwissenschaftlichen Kenntnisse: Meinst Du, dass das irgendwie repräsentativ ist? Ich meine, es gibt ja überall Menschen, die sich für etwas nicht interessieren. Und die das deshalb nicht wissen.
    Andererseits hat sich ja inerhalb nur weniger Jahre die Zahl der Abiturienten in Vietnam sprunghaft vervielfacht. Kann ja auch sein, da ist das Niveau dann auf der Strecke geblieben, weil einfach nicht genug Lehrer da waren.

  2. admin says:

    Also um eines zunächst mal klarzustellen: Ich weiß natürlich nie genau, wie repräsentativ etwas ist, was ich erlebe. Und in der Tat waren die Leute, mit denen ich gesprochen habe, keine ausgebildeten Naturwissenschaftler. Das bin ich allerdings auch nicht, und ich habe noch zumindest grob die Themen im Kopf, die im Unterricht durchgenommen wurden.

    Mein allgemeiner Eindruck war, dass der naturwissenschaftliche Unterricht hier sehr viel mehr auf Formeln und sehr kompliziertem Fachwissen basiert, als auf „Allgemeinwissen“. Das ist auch die allgemeine Kritik, die ich von Schülern gehört habe, dass sie so unglaublich viel auswendig lernen müssen. Jenen Schülern, die sich prinzipiell für Naturwissenschaften interessieren, mag das entgegen kommen. Aber das, ich nenne es mal, grundlegende medizinische Wissen über Sinnesorgane, Körper oder solche Dinge (Mediziner würden jetzt möglicherweise sagen: das schulische Halbwissen), auch über Tierwelt und solche Themen, erscheint mir dünner, als in Deutschland.

    Gegenüber Unkenntnis von Olympischen Spielen muss ich die Vietnamesen allerdings verteidigen: Ganz Südostasien scheint sich für die Spiele weniger zu interessieren, weil fast keiner der Staaten irgend welche größeren Erfolge zu erhoffen hat. Das ist ja in Deutschland nicht anders, dass man sich für Sportarten, in denen man wenig erfolgreich ist, auch nicht besonders interessiert.

  3. m says:

    Also eine sehr stark utilitaristische Wissensvermittlung?
    Das mag sein.

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