Harry Potter und der Fußball des Schreckens

Ich fang mal hinten an: Es war ein lausiges Fußballspiel. Vietnam hat das Viertelfinale gegen den Irak verloren. Zu recht. Die Vietnamesen hatten eine einzige echte Chance, das war kurz vor Ende der ersten Halbzeit.

Das mag auch damit zu tun gehabt zu haben, dass einer der besten Spieler Vietnams fehlte.

Er hatte Hochzeit.

Also anders gesagt: Einer der Nationalspieler hat seinen Hochzeitstag exakt auf den Tag des Viertelfinals gelegt. Er gab zur Entschuldigung an, nicht damit gerechnet zu haben, dass das Team so weit kommt. Ich nehme an, Vietnam kann von Glück reden, dass er seine Teamkameraden nicht eingeladen hat. Denn bekanntlich gilt es hier als unhöflich, eine Einladung zur Hochzeit abzulehnen.

Noch genauer müsste man wahrscheinlich sagen: Der Wahrsager hat den Tag so bestimmt. Wie ebenfalls glaube ich bereits erwähnt, gibt es nämlich gute und schlechte Hochzeitstage, und diese lässt man von Wahrsagern bestimmen. Wobei viele Vietnamesen auch der Meinung sind, dass mit ein wenig Geld die Wahrsager am Ende auch den Tag angeben, den man gerne hätte. Könnte natürlich sein, dass die Iraker das auch wussten.

Wie dem auch sei. Vietnam ist raus, Sensation verpasst. Dagegen ist weiter: Japan. Gegen Australien. Spiel fand statt in Hanoi und ich war im Stadion. Ein sehr schönes Stadion. Ein wenig irritiert hat mich die große steinerne Fackel am Kopfende. Soweit ich weiß hat sich Vietnam bis auf weiteres nicht für die Olympischen Spiele beworben. Aber vielleicht hat man schonmal für die Zukunft geplant. Das Spiel wiederum war… mittelmäßig. Es gab eine interessante Phase am Anfang der zweiten Halbzeit. Da fielen zufälligerweise auch die beiden Tore.

Und es gab lustige Lautsprecherdurchsagen. Beispielsweise: „Alle Zuschauer von Teil A, Block 4, deren Plätze bereits besetzt sind, werden gebeten, sich andere, unbesetzte Plätze zu suchen. Offenbar wurden Tickets für Block 4 doppelt verkauft.“ Auf Deutsch: Offenbar haben schlaue Fälscher das gesamte Kontingent für Block 4 gefälscht und ein gutes Geschäft gemacht. Ein Ticket dieser Kategorie kostete schließlich etwa 150.000 Dong, als etwa 8 Euro. Für ein Viertelfinale nicht teuer, aber für Vietnamesen wären das 15 Mittagessen, oder ein schickes Hemd.

Womit wir beim letzten Thema wären: 570.000 Dong. Für ein Buch. Namens Harry Potter. Ich war um 7.30 Uhr morgens im Buchladen, um mir das Spektakel anzusehen, aber 570.000 Dong waren dann für die Jugend wohl doch zu viel. Es waren mehr Journalisten da, als Käufer. Eine junge Vietnamesin kaufte als erste das Buch, und durfte es anschließend strahlend in die Kamera halten und bekam noch eine Baseball-Kappe dazu. Eine junge AFP-Journalistin („Ich habe keins der Bücher gelesen.“) interviewte sie anschließend und murmelte dann: „Ich glaube, ich schreibe da drüber heute doch keinen Artikel.“

Wie auch immer: 570.000 Dong, das wären 57 Mittagessen, oder eine ganze Menge schicker Hemden. Das wäre so, als würde man in Deutschland das Buch für 100 Euro verkaufen. Oder für 200 Euro. Zusammen mit der Tatsache, dass die Englischkenntnisse hierzulande zwar nicht schlecht sind, aber bei Jugendlichen dann scheinbar oft doch nicht über „Hello Sir!“ drübergehen, also kein Wunder, dass sich die Kunden in Grenzen hielten.

Außerdem, sagte ein befreundeter Vietnamese, könne man sich das Buch nächste Woche sowieso auf dem Schwarzmarkt kaufen. Zum halben Preis, mindestens.

Und bei einem gefälschten Buch besteht dann wenigstens auch nicht die Gefahr, sich einen neuen Platz suchen zu müssen, weil auf dem Original schon jemand sitzt.

2 Responses to Harry Potter und der Fußball des Schreckens

  1. Michael says:

    Das hätte in eine Zeitung gehört und nicht in ein Umsonstmedium! Jetzt ist der Zug aber vermutlich abgefahren.
    Michael

  2. Dom says:

    hihi witzig! :-)

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