Alles wird komplizierter

Wie zu erwarten, gab es jede Menge Aufruhr. Man erinnere sich: Vor zwei Wochen wurde angekündgit, dass demnächst Helmpflicht auch auf den großstädtischen Straßen gilt. Die Zeitungen haben anschließend ausführlich diskutiert, ob die Idee sinnvoll ist.

Beispielsweise wurde ein hochrangiger Verkehrspolizist gefragt, ob die Zeitspanne nicht zu kurz sei, und nicht Schwierigkeiten zu erwarten seien. Immerhin habe Japan acht Jahre gebraucht, um seine Einwohner an den Helm zu gewöhnen. Seine Antwort lautete: „Wenn alle sich daran halten, dann wird es nicht schwierig.“

Dieser Logik kann man schwerlich etwas entgegen setzen.

Außerdem meldeten sich Politiker zu Wort, und traten dem Vorurteil entgegen, dass Jugendliche mit Helm nicht „schick“ aussähen (einer der Gründe, warum Helme gerade bei jungen Leuten nicht beliebt sind, neben der Tatsache, dass er die Frisur ruiniert). Sie sagten sinngemäß: Stimmt doch gar nicht. Im Gegenteil. Gerade junge Leute sehen sehr stilvoll und geschmeidig aus mit Helmen.

Die offizielle Regelung sieht außerdem vor, dass das Strafmaß 20.000 bis 40.000 Dong sind (ein bis zwei Euro) und der Entzug der Mopeds für drei Tage. Wenn man sich die durchschnittliche vietnamesische Straßenkreuzung vorstellt, müsste die Polizei demnach mit zwanzig Lastwagen anrücken, große Netze aufspannen und einfach alle Mopeds für drei Tage einsammeln. Das wäre sicherlich ein riesiger Spaß, und es wäre eine völlig neue Antwort auf die Frage, wie man die Straßen staufrei hält.

Praktikabel ist allerdings anders.

Dementsprechend erklärten auch bereits Polizisten, sie hätten lieber eine höhere Geldstrafe. Was auch zahlreiche Fahrer beruhigen dürfte, denn das Moped von der Polizei eingezogen bekommen, ist tatsächlich eine der unangenehmsten Strafen. Nicht nur, weil man plötzlich immobil wird – es kursieren auch nach wie vor Gerüchte darüber, dass man anschließend ein Fahrzeug zurück erhält, das nur von außen noch dem alten gleicht, im Inneren aber voller billiger chinesischer Ersatzteile strotzt.

Aber nicht nur die Zeitungen rumorten. Die erstaunlichste Diskussion fand auf einem E-Mail-Verteiler von Vietnam-Wissenschaftlern statt. Dort, wo sonst sehr ausführlich darüber diskutiert wird, ob ein bestimmter Stamm aus dem Mekong-Delta im 12. Jahrhundert eventuell Einflüsse auf die religiösen Riten des Uwalala-Buddhismus hätte haben können, oder was genau eigentlich am 11. März 1734 in Haiphong passierte, wurden auf einmal sehr handfeste Fragen geklärt.

Beispielsweise: „Muss ich als Tourist künftig auf dem Motorrad-Taxi auch einen Helm tragen?“

Eine sehr interessante Frage. Vor allem schließt sich gleich die Frage an: Wenn ja, wer ist dann für den Helm verantwortlich? Der Taxifahrer? In den kleinen Moped-Staufächern unter den Sitzen ist leider erschreckend wenig Platz für einen Helm. Oder müssen Touristen künftig Helme mit sich herumschleppen? Und, wenn sie keinen Helm tragen müssen: Was nützt es mir dann, wenn der Fahrer sich, das Moped und mich flach legt, dass er ja zum Glück einen Helm trug?

Da sieht man gleich wieder, dass Wissenschaftler einfach viel praktischer denken, als Politiker oder Polizisten.

Ich hoffe, wir bekommen bis zum 15. Dezember noch eine Antwort auf diese Fragen. Dann tritt das Gesetz nämlich in Kraft. (Der Kommentar eines alten Vietnam-Reisenden dazu lautete übrigens: „Ach? Waren sie diesmal so intelligent und versuchen zur Abwechslung tatsächlich mal, das Gesetz im Winter einzuführen, nachdem es im Sommer schon zweimal gescheitert ist?“)

One Response to Alles wird komplizierter

  1. m says:

    Na, dann wird ja hoffentlich mal jemand auf die sinnvolle Geschäftsidee kommen, Helmausleih für Touristen anzubieten.

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