Hochzeitsstress

Vorbereitung zum FamilienfotoEs ist ja auch in Deutschland eher naiv zu glauben, eine Hochzeit sei für das Paar reines Vergnügen, der romantischste und stressfreieste Tag des Lebens mit der anschließenden unvergesslichen „ersten Nacht“.

Was ich bislang an vietnamesischen Zeremonien erleben durfte, übertrifft das aber noch einmal.

Die Verlobungsfeier Mitte der Woche wurde ja bereits erwähnt. Dabei geht es im Grunde darin, dass die Familie des Bräutigams gesammelt zur Familie der Braut anreist, um die Hochzeit fest zu machen. Dabei gibt es festgelegte, traditionelle Geschenke der Gäste: Tee, Lotussamen, Reiskuchen.

Die Geschenke kommen...Klingt ein bisschen nach „Heilige drei Könige“ und sah auch so aus. Anschließend muss die Brautfamilie wiederum diese Geschenke an ihre Verwandten weiterreichen. Da vietnamesische Familien bekanntlich groß sind, reden wir hier gegebenenfalls von Ladungen jeweils mehreren hundert Päckchen Tee, Lotussamen und Reiskuchen. Dazu gab es dann eigene Träger, die die Geschenke präsentiert haben.

In Empfang genommen werden die Geschenke von den Brautjungfern und an die Familie weitergereicht. Brautjungfer ist hier wörtlich zu nehmen, qualifiziert für den Job sind nur Mädchen, die unverheiratet und jünger als die Braut sind. Und natürlich können die Jungfern die Pakete nicht allein schleppen, also tragen sie mit den Männern gemeinsam.

Verehrung der VorfahrenAußerdem wird noch Geld mitgebracht. Brautgeld. Als Dankeszeichen dafür, dass sich fortan die Familie des Bräutigams um die Braut kümmert. (Auch das ist wörtlich zu nehmen: Beim ältesten Sohn ist es üblich, dass das junge Paar anschließend bei den Eltern einzieht. Wobei man sich vermutlich streiten könnte, wer sich fortan um wen kümmern muss. Wenn kein Hausmädchen in der Familie ist, muss die Braut die Haushaltsaufgaben übernehmen.)

Anschließend gibt es Reden: Die „wichtigen Leute der Familie“ erklären jeweils, warum die bevorstehende Heirat ein tolles Ereignis ist. Es redet also der Vater der Braut, und der Vater des Bräutigams, und die Mutter der Braut und die Mutter des Bräutigams, und der Onkel der Braut und der Großvater des Bräutigams und die Großmutter der Braut und der zweite Onkel der Braut…

Wer nicht redet, ist das Pärchen. Für die ist in dem Zimmer kein Platz mehr, weil so viele wichtige Leute drin sind, deswegen müssen sie draußen stehen. Draußen stehen aber auch die engagierten professionellen Fotographen und machen Erinnerungsfotos, so dass das Pärchen in diesem Fall die Ansprachen gar nicht mitbekam.

Macht ja nix. Sie können sich ja die Fotos anschauen.

Essen in kleinem Kreis.Heute wiederum war das Familienessen. Und zwar nur die Familie der Braut. Eingeladen war nur der „engere Familienkreis“. Die „Freunde“ sind am Donnerstag dran. Kleine Feier: Nur 24 Tische mit je 6 Personen. 150 Personen. Ganz intim.

Während der Feier muss das Brautpaar an jeden einzelnen Tisch um mit allen Gästen gemeinsam anzustoßen. Während also die Gäste essen, macht das Paar die Tour. Wenn sie schnell sind, sind sie zum Dessert mit dem Zuprosten fertig.

Bill Clinton? Oder doch das Brautpaar?Begleitet werden sie damit abermals von den professionellen Fotografen und angeheurten Videofilmern. Es erinnerte ein bisschen an den Auflauf als Bill Clinton vergangene Woche hier einmal um den See herumgelaufen ist.

Gegessen hat das Brautpaar anschließend natürlich nichts. Dafür sind sie vermutlich aber ziemlich angetrunken.

Am Donnerstag ist dann das nächste Essen. Dann ist die Familie des Bräutigams inklusive Freunde an der Reihe. Also noch mehr Leute. Ich bin mal gespannt. Anschließend ist das Pärchen vermutlich irgendwann dann auch endlich verheiratet.

Das ist übrigens die „vereinfachte“ Heiratsversion der Städte. Traditionell sind es mehr als ein halbes Dutzend Zeremonien.

Vielleicht haben sie das auch einfach abgeschafft, weil das Brautpaar anschließend zu alt war, um noch Kinder zu bekommen.

One Response to Hochzeitsstress

  1. nguyenDG says:

    Vielleicht haben sie das auch einfach abgeschafft, weil das Brautpaar anschließend zu alt war, um noch Kinder zu bekommen. ->zum totlachen

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