Wintermantel am Esstisch

Man frage bitte niemals mehr einen Vietnamesen in Deutschland, ob es ihm denn im Winter nicht zu kalt sei. Zumindest nicht, wenn er aus Nordvietnam kommt. Die Wahrheit ist nämlich: Es ist kalt hier. Aber sowas von.

Die Wahrheit ist auch: Es sind eigentlich halbwegs erträgliche 9 Grad Celsius in Hanoi. Das ist natürlich kalt in einem Land, das deutlich näher an den Tropen liegt. Relativ gesehen. Aber leider, leider eben nicht nur relativ.

Ich beschreibe das mal folgendermaßen: Ich laufe hier durch die Stadt in einem langärmligen Hemd, einer Fleece-Weste und einem Fleece-Pullover, einem dicken Wintermantel (innen Daunen und außen diese extra gehärtete Beschichtung, die den Wind abhält) – und einem Schal.

Und friere.

Die Kälte scheint sich aus all diesen Lagen Kleidung überhaupt nichts zu machen, sondern fährt einem direkt in den Körper hinein. Man hat eigentlich das Gefühl, als würde man gar keinen Mantel anhaben. Ich bin in Deutschland mit mindestens einer Lage Kleidung bei Minusgraden unterwegs gewesen, und habe weniger gefroren, als hier. Die Luftfeuchtigkeit macht es möglich.

Hinzu kommt noch das Problem, das wir vom letzten Jahr bereits kennen: Die Häuser sind nach wie vor nicht beheizt. Eine Bekannte erzählte mir gestern, sie habe den Kühlschrank in der Küche geöffnet, und sich gewundert, warum er nicht kühl sei. Erst dachte sie, der Kühlschrank sei kaputt, dann fiel ihr auf, dass es vermutlich in der Küche genauso kalt ist, wie im Schrank. Das ist natürlich praktisch, da verderben weniger Lebensmittel. Es führt aber auch dazu, dass man im Wintermantel beim Abendessen sitzt.

Auf dem Flughafen sind mir einige deutsche Touristen begegnet. Einige davon hatten bereits von Deutschland aus eine der berühmten Bootstouren in der Halong-Bucht mit Bootsübernachtung auf der Dschunke gebucht. Ich muss sagen, ich beneide sie nicht.

Ich muss allerdings auch sagen, mich selbst beneide ich derzeit auch nicht sonderlich.

2 Responses to Wintermantel am Esstisch

  1. Linksaussen says:

    dafür ist der mantel, den ich mir in vietnam hab schneidern lassen, in deutschland leider untauglich: unter 11, 12°C hält der nicht warm. vielleicht hätte ich den in hanoi und nicht saigon erwerben sollen?

  2. m says:

    Ich habe in Vietnam auch mal einen Winter mit Temperaturen bis 12 Grad erlebt – also fast so kalt wie dieser. Wenn nicht geheizt wird, manche Fenster unverglast sind und in die Häuser extra Luftlöcher für den Wärmeausgleich im Sommer eingebaut werden, ist das echt eklig. Und vor allem: Die Wäsche trocknet bei den feuchtkalten Temperaturen nicht. Deshalb muss man tagelang mit denselben Klamotten rumlaufen.
    Die Vietnamesen haben da irgendwelche Pflanzen aus den Teichen geholt und daraus Dampfbäder bereitet, um gesund zu bleiben. Das hat echt gut getan.
    Was weggeholt habe ich mir erst, als die Temperaturen wieder auf 25 Grad geklettert waren. Die Vietnamesen sprachen von giftigen Südwinden und empfahlen mir, nicht ohne Schal rauszugehen. Ich schlug die Empfehlung in den – dann warmen Wind. Und ich habe mich heftig erkältet.

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