Generationenfrage

Der Vergleich zwischen Tet und Weihnachten drängt sich mal wieder auf. Wir schreiben heute den „dritten Feiertag“, eigentlich streng genommen schon den vierten, denn einen Tag vor Neujahr war das Land auch schon ziemlich still. Nach so langer Zeit ist es kein Wunder, dass vor allem die Jugendlichen das ewige Essen und Zusammensitzen in der Familie nicht mehr aushalten, und ins Nachtleben fliehen.

Anders ist jedenfalls kaum zu erklären, warum das Kino heute voll war. Voll? Was red ich… Ich war im vergangenen Jahr schon ein paar Mal in diesem großen, modernen Cinemutlicinemegacineplex-Stil-Kino-Center, und hatte mich jedes Mal gefragt, wie die eigentlich ihre Miete bezahlen wollen, bei so wenig Kundschaft. Heute aber war komplett Ausnahmezustand. Und es war nicht einfach nur voll, sondern es schienen überall ausschließlich Jugendliche zu sein. Sehr laute Jugendliche. Sehr ungestüme und gelangweilte Jugendliche, die gerade voller Elan ihre Pubertät ausleben. Indem sie sich kleiden bis zur Geschmacklosigkeit (gut, über Geschmack kann man streiten), sich überall rumdrängeln und eigentlich auf überhaupt niemand anderen achten, als sich selbst.

Da sich dann herausstellte, dass es ohnehin nichts interessantes zu sehen gab (und sämtliche Vorstellungen ohnehin fast ausverkauft waren), wurde der Plan für den Abend geändert. Statt Kino also eben: Gemütlich Essen gehen. In diesem Fall in einem japanischen Restaurant mit für vietnamesische Verhältnisse ziemlich gepfefferten Preisen.

Und dort: Dasselbe Bild. Der Großteil der Gäste sind ziemlich junge Leute mit ziemlich viel Schminke im Gesicht, die ziemlich teure Klamotten tragen, und die für ihr Essen teilweise Dong auf den Tisch schmeißen, dass es selbst mir als Europäer die Tränen in die Augen treibt (das gefährliche am japanischen Essen ist ja die Tatsache, dass man alle möglichen kleinen Gänge hintereinander bestellen kann). Nämlich ein gefühltes Wochengehalt meiner vietnamesischen Kollegen beim Radio. Wenn man das grob auf deutsche Journalistengehälter überträgt, dann wäre das so, als würden Jugendliche in Deutschland in einem Restaurant mal so eben zu dritt 500 Euro auf den Kopf hauen.

„Wenn ich die Generation von heute sehe, dann habe ich keine Hoffnung für dieses Land“, seufzte darauf hin einer der Vietnamesen, die mit dabei waren. Das scheint auch der Tenor vieler Zeitungskommentare derzeit zu sein. Nun kann man das natürlich einordnen, und sich vor Augen führen, dass denselben Seufzer schon die alten Griechen und die Römer ausgestoßen haben – und nach ihnen vermutlich jede folgende Generation überall auf der Welt bis ins Jahr 2008.

Unbestreitbare Tatsache ist allerdings auch, dass die heutige vietnamesische Jugend so wohlhabend ist, wie keine in diesem Land jemals zuvor. Oder eher: Dass ihre Eltern heute so wohlhabend sind, wie keine Elterngeneration jemals zuvor, und dass die meisten, um diesen Wohlstand zu verdienen, dafür im Gegenzug keine Zeit für ihre Kinder hatten und haben.
Ohne jetzt gleich in Kulturpessimismus zu verfallen: Man merkt das durchaus.

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