Fenster freudiger Erregung

Die italienische Botschaft veranstaltet derzeit eine Filmreihe. Zum Auftakt gab es am Mittwoch „La Fenestra di Fronte„, vielleicht zu übersetzen mit „Das Fenster gegenüber“, nicht zu verwechseln natürlich mit dem Hitchcocks „Fenster zum Hof„, obwohl das Fenster im italienischen Film auch zum Hof zeigte. Andererseits hieß Hitchcocks Film im Original wiederum „The Rear Window“, was man nicht nur mit „Hof“, sondern auch mit „nach hinten“ übersetzen könnte. Vielleicht ist das italienische Front-Fenster also auch doch eine Anspielung darauf. Es geht nämlich in der Tat ähnlich wie bei Hitchcock darum, dass jemand die Nachbarn ausspioniert. Allerdings nicht um einen Mord, sondern eher um romantische Fenster-Liebe.

Egal. Der Film war recht sehenswert, eine Verknüpfung zweier Geschichten (eines jungen Ehepaars und eines alten, offenbar verwirrten Mannes), inklusive einer Verknüpfung von Gegenwart und Vergangenheit, was sich in teilweise surrealen Szenen ausdrückte, bei denen man nicht so genau wissen sollte, ob sie jetzt gerade real sind, oder Rückblenden. Das Ende war nicht kitschig, und ein bisschen was zum Nachdenken gab es natürlich auch. Ach ja, und Nazis und Judenverfolgung kamen auch drin vor.

An all dem kann man merken: Es war nicht unbedingt ein Erotik-Film. Er hatte aber eine Sex-Szene. Naja, Sex-Szene ist schon übertrieben. Es gab eine weibliche Brust zu sehen, und einen Mann, der hineinbiss. Die Szene sollte unterstreichen, dass das zerrüttete, zerstrittene junge Paar durchaus noch Leidenschaft empfindet.

Neben mir saßen zwei Vietnamesinnen. Ich würde mal schätzen, so um die 20 Jahre alt. Wir saßen im Kino. Es war dunkel. Zwei weitere Freundinnen saßen offenbar hinter ihnen. Ich betone: Hinter ihnen. Niemand hätte gesehen, wo die zwei jungen Frauen hinschauen.

Trotzdem legten sie demonstrativ die Hände vor die Stirn, gaben kichernde Töne der Entrüstung von sich, und schauten zu Boden.

Mir ist bewusst, dass es in Vietnam weniger halbbekleidete Frauen zu sehen gibt, und generell weniger erotische Plakate oder Zeitschriften auf den Straßen, als in Europa. Das ist ja auch in Ordnung so. Mir ist ebenfalls bewusst, dass die Sexualmoral eine strenge und traditionelle ist, obwohl da auch ein wenig Doppelmoral dahinter steckt, denn gleichzeitig hat Vietnam eine der höchsten Abtreibungsraten in ganz Asien, kurz gesagt werden genauso viele Kinder geboren wie abgetrieben werden (was allerdings auch mit einer nicht-bindenden, aber erwünschten Zwei-Kind-Politik zu tun hat).

Dass man im dunklen Kino zu Boden schaut, wenn für zwei Sekunden eine weibliche Brust zu sehen ist, will mir aber trotzdem nicht ganz einleuchten.

Und bevor jemand fragt: An mir lag es nicht. Ich hätte die beiden jungen Damen vermutlich überhaupt nicht beachtet, wenn sie nicht angefangen hätten, zu tuscheln und die Hände zu bewegen. Anschließend konnte ich mir dann allerdings zugegebenermaßen nicht verkneifen, bei einigen Szenen rüber zu schielen. Es gab noch eine Kuss-Szene. Da wurde mit großen Augen und lächelnd-gierig auf die Leinwand geschaut. Und es gab eine Szene, die entlockte Rufe freudiger Erregung.

In dieser Szene ging es um Schokoladenkuchen.

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