Kein Nirwana, nirgends

Heute ist Vesak-Tag. Eines der wichtigsten Feste der Buddhisten, weil an diesem Tag gleichzeitig Buddhas Geburt, Buddhas Erleuchtung und Buddhas Tod gedacht wird. Vietnam ist dieses Jahr mächtig involviert, weil man zum ersten Mal den „UN-Vesak-Tag“ ausrichten darf, eine internationale Feier und Konferenz unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen. Zuletzt in den USA und Thailand angesiedelt, dieses Jahr in Vietnam.

Bei den Eröffnungsreden haben die vietnamesischen Politiker dann allerdings bewiesen, dass das mit dem Buddhismus doch nicht alles ganz so einfach ist. Unter anderem hieß es in einer Politiker-Rede, man wolle gemeinsam ein „Nirwana hier auf Erden schaffen“.

Das ist natürlich Unsinn. Und ein weit verbreitetes Missverständnis, vor allem unter Europäern: Nirwana, der Zustand den der Buddha erreicht hat, wird gerne verglichen mit dem christlichen Paradies. Es ist aber eben kein Paradies, sondern das völlige Erlöschen, das völlige Nicht-Sein, ein Nichts, das nicht in Worte zu fassen ist. Die endgültige Erlösung, wenn man erkannt hat, dass das Leben, das Streben und nichts auf der Welt irgend eine Bedeutung haben. Das zumindest ist Buddhas Lehre.

Nun wollen Politiker sicherlich alles mögliche schaffen und erreichen, aber ein Nichts zu erreichen, zählt sicherlich nicht zu den politischen Zielen. Vielleicht zählt es gelegentlich zu den Zielen, nichts zu erreichen, das mag natürlich sein. Aber dann ist man zumindest so schlau, es dem Wähler nicht zu sagen.

Christen müssen sich von den Buddhisten sogar vorwerfen lassen, dass sie durch ihr Streben nach dem Paradies beweisen, dass sie eben nicht „losgelassen“ haben von der Welt. Das Ziel des Buddhisten ist es, nicht wiedergeboren zu werden, nirgends, auch nicht in irgend einem Paradies.

Man muss dazu allerdings auch erklären, dass der Buddhismus mindestens so viele Denkrichtungen und Schulen hat, wie die christliche Kirche mit ihren Baptisten, Adventisten und den von der Geschichte verschlungenen Arianern. In Vietnam konnte sich der Buddhismus unter anderem deswegen durchsetzen, weil er zweimal ins Land kam. Einmal in der klassischen Form aus Indien, die heute noch in Thailand, Sri Lanka oder Kambodscha existiert, und dann in der eher volksreligiös geprägten Variante aus China. Bei letzterer ließen sich alle möglichen „Heiligen“ und aus animistischer oder daoistischer Tradition stammenden „Götter“ mit eingliedern. Und auch die vietnamesische Ahnenverehrung blieb unangetastet.

Aus diesem Widerspruch (wie verehre ich einen Ahnen, der gerade als Tier wiedergeboren wurde, oder gar „verlöscht“ ins Nirwana ging?), lässt sich bereits sehen, dass der Buddhismus in Vietnam generell nicht ganz identisch mit derselben Theologie daherkommt, wie die „klassische“ Variante im Westen des Landes. Er umgeht solche Fragen einfach. Wiedergeburt ist eigentlich kein Thema in Vietnam.
Das wiederum erklärt verwirrende Begriffsbenutzungen durch Politiker, und ist, um auf das Anfangsthema zurück zu kommen, übrigens auch einer der Gründe für die UN-Vesak-Konferenz: Es soll darum gehen, die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Spielarten des Buddhismus herauszuarbeiten.

Als Europäer sollte man sich aber bitte merken: Kein Nirwana auf Erden, kein Nirwana im Paradies, und auch, bitte, sehr wichtig, kein Nirwana nach Buddhas Tod. Das steht nämlich sogar hier im Langenscheidt-deutsch-deutschen-Wörterbuch drin: „Nirwana – der Ort nach dem Tod“. Der Buddha hat es vorgemacht, er hat das Nirwana schon lange vor seinem Tod erreicht.

Wenn man es aus diesem Blickwinkel betrachtet, hatte der Politiker dann natürlich doch recht: Wir sollten alle Buddhas werden.

One Response to Kein Nirwana, nirgends

  1. nguyenDG says:

    hätte nicht gedacht, dass die beim Langenscheidt auch Mist bauen, schade dass ich kein Duden zur Hand habe um nachzugucken.

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