Geld fließt ins Land… oder?

Die neuesten Zahlen für Auslandsinvestitionen in Vietnam liegen irgendwo bei 40 Milliarden US-Dollar. Oder 45 Milliarden. So ganz kommt man da mittlerweile schon nicht mehr mit, und was sind bei solchen Höhen noch 5 Milliarden mehr oder weniger. Die offizielle Halbjahreszahl war 31,6 Milliarden, aber das ist ja auch schon wieder mehr als einen Monat her.

Vergangenes Jahr war es noch die Hälfte, nämlich etwa 20 Millarden, und als ich in Vietnam ankam, waren es 10-12 Millarden. Grob gesagt verdoppelt sich also jedes Jahr das Geld, das ausländische Investoren nach Vietnam schaufeln.

Oder auch nicht.

Denn mit Auslandsinvestitionen ist das immer so eine Sache. Es gibt verschiedene Arten, sie zu berechnen, und es gibt auf verschiedene Möglichkeiten, sie auszuweisen. Die Mega-Zahlen, die zur Zeit durch den Raum geistern, sind das „registrierte Kapital“. Anders gesagt, das Geld, was Firmen zugesagt haben, insgesamt in ihre Projekte investieren zu wollen.

Um es bildlich zu machen: Eine Firma entscheidet sich, einen Produktionsstandort in Vietnam aufzubauen. Für den gesamten Bauprozess rechnet sie mit Ausgabesumme X. Sagen wir 50 Millionen. Soviel soll also alles insgesamt kosten: Die Baumaterialien, die Arbeiter, die Maschinen, das ganze Drumherum eben, bis die Halle dann mal steht und produziert.

Solche Firmen gibt es einige: Die taiwanesische Formosa-Gruppe will 7,8 Milliarden in einen Hafen- und Stahlkomplex stecken. Brunei will 4,3 Millarden für teure Touristen-Bunker ausgeben und eine Firma namens „Asia Coast Development“ mit Sitz in Kanada auch nochmal 4,2 Milliarden für eine Tourismus-Meile im südvietnamesischen Badeort Vung Tau. 4,2 Millarden US-Dollar, das bedeutet 9000 Luxushotelbetten und ein Kasino für Superreiche. Unter anderem.

Das sind ungeheure Summen. Bis vor kurzem galt Intel noch als der größte Investor in Vietnam, mit seinem Ein-Millarden-Dollar-Projekt, einer Chipfabrik außerhalb von Hanoi. Mehrere tausend Arbeitsplätze soll diese Fabrik schaffen. Zur Zeit kursiert sie allerdings eher als Negativbeispiel für Auslandsinvestitionen durch die wissenschaftlichen Blätter, weil Intel nach einem ersten Bewerber-Check merkte, dass man möglicherweise vor Ort gar nicht genug qualifizierte Arbeitskräfte findet. In den hochqualifizierten Sektoren, wohlgemerkt. Von 2000 getesteten Studenten der fünf besten Technik-Universitäten entsprachen nur 40 Intels Minimal-Standards.

Das zweite Problem ergibt sich aus einer simplen zeitlichen Überlegung. Eine Firma entsteht nicht über Nacht. Auch nicht in Vietnam. Bis die ganzen milliardenschweren Projekte also stehen, wird Zeit vergehen. Bis das Geld tatsächlich fließt, auch.

Die tatsächliche Zahl an ins Land geflossenen Investitionen klingt deswegen schon ernüchternder: Es sind für dieses Jahr nur 6 Milliarden US-Dollar. (Wir erinnern uns: Anstelle von 45. Oder 40. Die paar Millarden mehr oder weniger…).

Kompliziert wird es dadurch, dass je nach Statistik auch Immobilienspekulationen oder Börseninvestitionen mit reingerechnet werden können. Also Geld, das keine Arbeitsplätze schafft, und im Zweifelsfall auch schnell wieder verschwunden ist. Und zu allem Überfluss tobt in der Wirtschaftswissenschaft auch noch ein langer Streit darüber, was die vielgelobten „Auslandsinvestitionen“ unter dem Strich einer Drittweltwirschaft tatsächlich einbringen.

Was bleibt? Immerhin die positive Erkenntnis, dass ausländische Firmen trotz jüngster vietnamesischer Wirtschaftsprobleme immer noch an eine langfristige Perspektive glauben, und in der Hoffnung auf Rendite ins Land kommen. Und eine Menge offener Fragen.

Ob der Badeort Vung Tau tatsächlich einen 4-Milliarden-Touristenkomplex benötigt, beispielsweise. Und wann wohl der erste Intel-Chip in Vietnam produziert wird.

One Response to Geld fließt ins Land… oder?

  1. m says:

    Wo bekommt man denn so spannende Informationen her wie etwa, wie viele getestete Absolventen den Intel-Mindestanforderungen genügen?

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