Endlos grüner Tee

Vietnamesische Wohnviertel sind nach Einbruch der Dunkelheit voll mit Spaziergängern.

Das hat zwei Gründe: Erstens treiben viele Vietnamesen gerne „Sport“, und sei es eben einfach nur ein ausgedehnter Spaziergang. Tagsüber arbeitet man, dann kämpft man sich durch die Staus nach Hause, isst zu abend, und geht im Dunkeln spazieren.

Oder es sind Vietnamesen, die auf Familienbesuch sind.

Familienbesuch ist heilig. Im Grunde besucht jeder jeden Tag irgend jemanden. Man kommt ungefragt vorbei, lädt sich zum Abendessen ein und redet. Vietnamesische Jugendliche haben unter anderem deswegen so wenig Hobbys, weil sie abends immer gemeinsam mit den Verwandten dasitzen und sich unterhalten müssen.

Nach dem Abendessen setzt sich die Familie gemeinsam ins Wohnzimmer und trinkt Kräutertee. Man kann sich dazusetzen und sich sagen: „Auf einen Tee noch.“ Der Vorsatz stellt sich allerdings schnell als Falle heraus, denn leere Teetassen wären unhöflich. Also wird immer wieder nachgeschenkt. Es gibt endlos grünen Tee, es wird endlos geredet, bis alle müde sind.

Nach neun Uhr sind die Straßen in vietnamesischen Wohnvierteln ziemlich leer. Alle sitzen irgendwo und trinken Tee.

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