Von Mörsern und Taxifahrern

Dieser Blog-Eintrag eines Amerikaners hier ist zwei Jahre alt. Darauf weist der Verfasser in einem aktuellen Kommentar auch nochmal deutlich hin. Es hilft ihm aber nichts, weil der Link offenbar derzeit wieder in einschlägigen Foren und auf Blogs kursiert, und wenn sowas einmal im Umlauf ist, dann schaut bekanntlich niemand mehr auf den Zeitstempel.

Im Umlauf ist er wohl deswegen wieder, weil er ziemlich provokant ist. „Gründe, warum man Vietnam hassen muss“, heißt der Titel. Und genauso ist der Beitrag auch geschrieben. Mit sehr viel Frust. Vieles davon leider nachzuvollziehen, denn vietnamesische Taxifahrer, Händler und Touristennepper bekleckern sich nach wie vor im regionalen Vergleich nicht mit Ruhm, was ihr Verhalten angeht. Irgendwann könnte das nochmal böse auf Vietnam zurückfallen. (Also beispielsweise wenn Thailand sich mal endlich entschließt, nicht mehr zehnmal im Monat zu putschen.) Schon jetzt hat Vietnam eine der miesesten Rückkehr-Raten von Touristen in der Region. Viele Vietnamesen scheinen aber davon auszugehen, dass sie keine Rückkehrer brauchen, wo doch die Weltbevölkerung fast 7 Milliarden Menschen beträgt. Die sollen erstmal alle kommen, dann sehen wir weiter…

Volles Verständnis für einen gewissen Hass auf Taxifahrer und gierige Nepper also. Andere Gründe, die der Blog-Autor und Backpacker auf Lebenszeit angibt, sind wiederum auch ziemlich dämlich. Wie zum Beispiel die Beschwerde darüber, dass Vietnamesisch schrecklich klinge.

Auf einen Grund wollte ich aber etwas genauer eingehen. Und zwar auf die Sache mit dem Mörser. Für alle Nicht-Apotheker und Nicht-Fantasy-Leser, ein Mörser ist in diesem Fall eine Schale, in der man Nahrungsmittel zerstampft. Keine Waffe. Der gute Mensch wollte einen Mörser samt Stößel in Vietnam kaufen, weil die angeblich unter anderem dort produziert werden. Er beschreibt sehr ausführlich und durchaus mit einer Portion frustriertem Humor, wie er von Apotheke zu Apotheke gelaufen sei, und mit Händen und Füßen den Mörser beschrieben und gleichzeitig noch die Wörter „Pulver“, „Medizin“ oder „Tablette“ gestammelt habe.

Ohne Erfolg.

Was mich an die Geschichte eines deutschen Bekannten erinnerte, der bei einem Besuch in den USA der Meinung war, in der Stadt wo er sich gerade befände, werde die Tiara des Papstes irgendwo ausgestellt (was nicht stimmte) und sich dann darüber ereiferte, dass die man die ignoranten, dummen Amis schon allein daran erkenne, dass sie nicht wüssten, wer der Papst sei. Seine Beweisführung: Er habe einem Hotelangestellten mit den Händen eine Tiara vorgeführt, und daraufhin die Antwort bekommen: „Ah, Santa Clause!“

Anders gesagt, wenn eine Apotheke keine Mörser mit Stößel verkauft, dann ist es ziemlich sinnlos, mit dem Apotheker Pantomime zu spielen. Meiner Beobachtung nach werden Mörser im Alltag heutzutage auch vor allem in vietnamesischen Küchen verwendet. Dort dienen sie dazu, leckere Dinge zu zerstampfen wie zum Beispiel Erdnuss-Gewürzmischungen. Apotheken hingegen verkaufen meist haufenweise internationale Pillen, und die sollte man eher nicht zerstampfen.

Zweitens ist das Interpretieren hilfloser Ausländer eine Kunst an sich. Genauso wie Kartenlesen, was für uns ja scheinbar völlig logisch, für viele asiatische Bauern (und dazu zählen auch die Taxifahrer) eine Fähigkeit ist, die sie schlicht nicht erlernt haben. Es erfordert ein gewisses Einfühlungsvermögen in die Situation eines Ausländers, um aus Händen, Füßen und falsch betonten Wörtern etwas herauslesen zu können. Ganz nebenbei bemerkt eine sehr wichtige Erklärung dafür, warum viele Ausländer in Vietnam es so schwer haben, Vietnamesisch zu sprechen: Vielen Vietnamesen, die auf dem Land aufgewachsen sind (und dazu zählen auch die Taxifahrer. Und die Händler. Und halb Hanoi), erscheint es schlicht unlogisch, dass jemand etwas anderes meinen könnte, als das, was er sagt.

Die spannende Frage wäre, ob ein vietnamesischer Tourist, der eine deutsche Bäckerei betritt, und dort laut „Kuckuck! Kuckuck!“ schreit, tatsächlich auch den Weg ins nächste Geschäft für echt deutsche Kuckucksuhren gewiesen bekommt.

So ungefähr jedenfalls kommt mir unser verzweifelter Blog-Autor vor, der dann leider Vietnam ohne Mörser verlassen musste. Auch wenn er mit einigen anderen Kritikpunkten wie gesagt nicht ganz unrecht hat.

PS: Den schönsten Mörser samt Stößel habe ich in Kambodscha gefunden, wo ja wie schon erwähnt Holz spottbillig ist. Da gab es bei einem Händler einen sicherlich Medizinball-großen Mörser aus lackiertem Holz für sechs Dollar. Problem war dann nur, das Ding mit ins Flugzeug zu nehmen. Das wäre also der ideale Tipp für den rucksackreisenden Amerikaner, aber da sein Eintrag schon zwei Jahre alt ist, ist er sicherlich nicht mehr in der Gegend.

2 Responses to Von Mörsern und Taxifahrern

  1. Benem says:

    Naja, bei so ein paar Sachen hat er ja nicht ganz unrecht…
    Trotzdem wuerde ich auf der Stelle wiederkommen wenn ich die Moeglichkeit haette, denn die Vietnamesen sind eindeutig was ganz besonderes.

    Ben

  2. Jowi says:

    Hi David!
    Ich finde, Du hast diesem idiotischen Blogbeitrag eines ungebildeten und bornierten Amerikaners zu viel Ehre angetan.
    Wenn man das Leben nicht akzeptieren kann, das Menschen ausserhalb von vielleicht South Dakota für sich organisieren, dann sollte man halt keine Weltreisen machen – schon gar nicht mit hochschwangerer Frau.
    Ich bin jetzt seit einem Jahr in Hanoi, könnte auch die eine oder andere unfreundliche/lustige Geschichte erzählen. Aber für mich ist das Land und seine Menschen vor allem faszinierend. Über die Frechheit und die Betrügereien kann man doch einfach lachen, so wie die Vietnamesen, wenn man sie erwischt.
    Auch über die ewige Touristenklage mit dem ach so schrecklichen Verkehr kann ich nur lachen. Ich finde es viel besser, wenn die Leute aufmerksam und langsam auf der Strasse ihren direkten Weg suchen, als wenn sie, wie in Deutschland, blindlings mit Karracho los brettern, nur weil sie Vorfahrt haben. Die völlig fehlende Rechthaberei hier fehlt mir überhaupt nicht.
    Ich finde, die Vietnamesen sind zu Recht stolz auf ihr kleines Land: kein Anderes hat so erfolgreich alle Versuche der Fremdherrschaft überstanden. Sie sind jetzt dabei, den Begriff des Tigerstaates wörtlich zu nehmen und raubtierartig auf der Jagd nach dem persönlichen Glück. Die Amerikaner waren früher genauso, aber sie haben besser gelernt, es nicht so deutlich zu zeigen.
    Wenn jemandem das nicht gefällt, dann kann er ja daheim bleiben. Er wird nie ermessen, was er Schönes versäumt hat. (Er würde vielleicht nichts versäumen, weil gar nicht die Sinnesorgane hätte, es zu erleben.)

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