Eine Stunde Licht

Gestern war Earth Hour. Rund um den Globus schalteten zwischen 20 und 21 Uhr haufenweise Leute das Licht aus, um gegen Energieverschwendung und damit „für die Umwelt“ zu demonstrieren. Da rund um den Globus bekanntlich nicht dieselbe Zeit herrscht, war es streng genommen nicht eine Stunde, sondern mehr sowas wie eine Laola-Welle.

Deutschland war nicht wirklich beteiligt, dafür Vietnam umso mehr. Zumindest, wenn man den Vorberichten glauben durfte. Da wurde seit Tagen auf das Ereignis hingewiesen, und es erschienen haufenweise Medienberichte von begeisterten Einwohnern, die erklärten, dass sie selbstverständlich mitmachen würden, damit man ein Zeichen für die Zukunft setzen könne.

Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, denn eigentlich ist in Hanoi jeden Tag irgendwo gerade „Earth Hour“, sprich Stromausfall. In regelmäßigen Abständen werden wegen mangelnder Energieversorgung ganze Stadtviertel abgestellt, manche regelmäßig ein- bis zweimal die Woche, andere unregelmäßiger. Manchmal eine Stunde, manchmal mehrere Stunden. Wenn also ein kompletter Stromausfall für Europäer durchaus etwas Besonderes sein mag, für Hanoier gehört er eigentlich zum Alltag. Es wundert mich sogar, dass wir zuletzt nicht stärker davon betroffen waren, denn ein Blick aus dem Fenster zum Roten Fluss zeigt erschreckend viel Sand, und kaum noch Wasser. Die Wasserstände müssen überall im Land sehr tief sein, und Vietnam zieht einen großen Teil seines Energie-Mixes aus Wasserkraftwerken.

Diese Tatsache wiederum führte dann im Vorfeld von „Earth Hour“ zu den üblichen wuchernden Gerüchten, und das verbreitetste davon war: Hanoi wird der Stadt komplett den Strom abstellen, um an der Aktion teilzunehmen. Was natürlich ziemlich sinnlos gewesen wäre. Wo der Staat seinem Bürger „Umweltmoral“ verordnet, da dürfte der moralische Effekt gleich Null sein. Dass das Gerücht dann doch so weit verbreitet war sagt vielleicht andererseits wieder ein klein wenig über den Staat und seine Kampagnen aus.

Ich habe jedenfalls die Chance genutzt, in einem hohen Haus zu wohnen, und hab mich gestern zwischen 20 und 21 Uhr mal aufs Dach gestellt. Der Effekt war… null. Zumindest aus der Vogelperspektive. Möglicherweise haben einige Häuser ihre Beleuchtung abgeschaltet, aber allein die unzähligen Motorroller und Autos waren so hell, dass die gesamte Stadt weiterhin erleuchtet war. Hinzu kam natürlich die übliche Straßenbeleuchtung. Und in den meisten Wohnvierteln war eindeutig zu sehen, dass ganz normal Licht brannte.

Vermutlich saßen drinnen Leute, und freuten sich, dass der Strom entgegen den Vorhersagen um 20 Uhr doch nicht abgeschaltet wurde.

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