Tanzen verboten

„Dekret über kulturelle Veranstaltungen und öffentliche kulturelle Angebote“ ist der wunderbar kurze und einprägsame Name eines Regelwerks, das 2006 in Kraft trat. Entworfen worden war es vom Kulturministerium, das nun stolz verkündete, das Dekret habe geholfen, viele „soziale Übel“ bei ebenjenen kulturellen Veranstaltungen und öffentlichen kulturellen Angeboten zu verhindern.

Soziale Übel ist ein vietnamesischer Begriff, der all das bezeichnen soll, was „pfuibäh“ ist, vor allem für eine „gesunde Gesellschaft“. Gemeint sind damit vor allem: Drogen und Prositution. Nicht gemeint ist, sich bei Hochzeiten schon mittags einen hinter die Hucke zu saufen, oder seine Frau zu betrügen, das zählt für viele vietnamesische Männer eher unter „Tradition“. Wobei solche Art von Heuchlerei natürlich kein rein vietnamesisches Problem ist, man denke nur an die Schizophrenie der Drogen-Verherrlichung (Alkohol) in deutschen Landen.

Wie auch immer, soziale Übel auf kulturellen Veranstaltungen sind jedenfalls nicht erwünscht.

Vor dem geistigen Auge steigen Bilder auf, wie sich leichtbekleidete Frauen in einem Museum  neben den Gemälden räkeln, weil sie hoffen, hier die meisten Kunden zu finden. Oder Horden von Drogensüchtigen die Oper stürmen, weil sie der Meinung sind, nur zugedröhnt mache Vivaldi erst wirklich Spaß.

Nein, das kann es wohl dann doch eher nicht sein.

„Kultur“ ist hier selbstverständlich etwas weiter gefasst, und schließt vor allem auch Discos und Karaoke-Bars mit ein. Da Prostitution offiziell in Vietnam verboten ist, sind es vor allem solche Plätze, an denen die käufliche Sexualität verdeckt aufblüht. Auf genau diese Tatsache zielt wohl auch der Zusatz, den das Kultur-Ministerium jetzt gerne in das Dekret eingefügt haben möchte: Tanzen in Karaoke-Bars ist künftig verboten.

Nun sind Karaoke-Läden hierzulande meist Häuser, in denen man als Gruppe ganze Räume mieten kann, und dann gemeinsam sich einen Abend lang schiefe Töne entgegenschreit. Die Angestellten des Hauses bleiben aus guten Gründen meist den Räumen fern (es sei denn, jemand schreit nach mehr Bier), wenn sie sich nicht das Gehör ruinieren wollen. Wie da nun jemand genau überprüfen möchte, ob Leute anfangen, auf dem Tisch zu tanzen (und sie dafür dann zu bestrafen), ist ein wenig schleierhaft, aber die Jugendlichen, die sich wirklich nur zum Party-Spaß treffen, sind wohl auch nicht gemeint.

Gerade jene Jugendlichen und ausländischen Touristen sind ja im Gegenteil eine Geldquelle, die in den letzten Jahren immer stärker zu sprudeln begonnen hat, und dementsprechend windet sich das Kulturministerium auch, und merkt bei allen künftigen Restriktionen gleichzeitig an, dass es die Touristen doch arg stören würde, dass solche Etablissements offiziell nur bis Mitternacht geöffnet haben dürfen. (Was in der Realität, nebenbei bemerkt, eh niemanden juckt, denn um Mitternacht werden einfach die Rolläden runtergelassen, und drinnen weitergefeiert. Möglicherweise verdienen sich ein paar nachtaktive Polizisten dann noch ein paar Geldscheine…).

Um also die Touristen in Hanoi nicht zu vergraulen, dürfen künftig Karaoke-Bars auch bis 2 Uhr geöffnet haben.

Allerdings, will man ja, Gott bewahre, nicht Sodom und Gomorrah über Vietnam hereinbrechen lassen, also gibt es auch hier wieder eine Einschränkung: Diese Sonderregel gilt nur für Fünf-Sterne-Hotels. Ich war noch nie in einem Fünf-Sterne-Hotel in einer Karaoke-Bar, aber ich stelle es mir weder sonderlich lustig, noch sonderlich günstig vor. Für den Rest bleibt also alles, wie es ist: Um 12 Uhr werden die Läden geschlossen, und drinnen geht das schiefe Singen weiter.

Und wenn genug Bier geflossen ist, dann tanzt sicherlich auch jemand auf dem Sofa herum.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert