100 Tage – Tod oder Obama?

Aufgrund des Kurztrips sind ein paar Themen liegengeblieben, die eigentlich in die vergangene Woche gehören. Macht aber nichts, dann halt jetzt. Obama zum Beispiel. Der feierte vergangene Woche seine „ersten 100 Tage“. Dafür gab es ganz viele Artikel, ganz viele Reden und ganz viele Kommentare in allen möglichen Medien.

Nun sind die Vietnamesen sehr berühmt dafür, dass sie gar keine Scheu davor haben, Dinge zu übernehmen. Im Gegensatz zu vielen anderen Völkern herrschte hier niemals eine ausgeprägte Xenophobie, zumindest nicht was Gebräuche und Angewohnheiten anging. Dazu vielleicht demnächst mal ein ausführlicher Beitrag, aber als kurze Erläuterung sei erwähnt, dass beispielsweise der Katholizismus fast 300 Jahre lang ohne Vorbehalte willkommen geheißen wurde, im Gegensatz zu China und Japan, wo Missionare als etwas „fremdes“ beäugt wurden. Dasselbe Spiel ließe sich mit allen möglichen Dingen fortsetzen, vom ganz Großen (Konfuzianismus und Marxismus, zwei der prägendsten Ideologien, stammen von außen), bis ins Detail (es gilt nicht als Un-Vietnamesisch ein französisches Beret zu tragen).

Deswegen gingen auch vietnamesische Medien auf 100 Tage Obama ein.

Denn selbstverständlich war das überhaupt nicht. Vietnamesen pflegen aus ihrer Tradition heraus eigentlich keine „100 Tage“ Amtsübernahme zu feiern. Im Gegenteil. Das hat ausnahmsweise mal nichts mit den veränderten politischen Rahmenbedingungen zu tun, auch wenn zugegebenermaßen vietnamesische Spitzenpolitiker deutlich länger im Amt sind.

Es liegt an der vietnamesischen Tradition der Totenfeier.

Die findet nämlich an bestimmten Tagen nach dem Tod statt. An heiligen Tagen, die etwas mit der buddhistisch besonderen Zahl 9 zu tun haben, zum Beispiel. Und nach 100 Tagen. Präsident Obama zum 100. Tag zu gratulieren hat für Vietnamesen also eigentlich etwas morbid-makaberes.

Sie tun es aber trotzdem. Man ist ja nicht so. Westler haben eben seltsame Bräuche.

One Response to 100 Tage – Tod oder Obama?

  1. dom says:

    Mein Respekt für die (immer wieder) feinen Betrachtungen!

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