Kein Bergbau-Brasilianer

Eine geradezu beispiellose Posse um den brasilianischen Fußballspieler Denilson ist gestern in Vietnam zu Ende gegangen: Denilson, mittlerweile 31 Jahre alt, verlässt den Fußballklub in Haiphong wieder, zu dem er vor einem Monat gewechselt war. Vorausgegangen war ein geradezu aberwitziger Hype um einen längst gescheiterten Fußballstar, und wochenlange Enttäuschungen vietnamesischer Fans.

Vielleicht kurz zur Erinnerung: Denilson, das war mal der teuerste Transfer in der Geschichte des Fußballs, damals als Fußballer nur läppische 31,5 Millionen Euro kosteten. Also vor zehn Jahren. Schon damals meinten allerdings viele, dass man bei Denilson immer einen Hackentrick und einen Übersteiger zu viel sehe, und dafür eine Torchance zu wenig. Seit 2002 durfte er sich dann Weltmeister nennen, weil er bei der WM in Südkorea und Japan immerhin fünf Mal gegen Ende des Spiels eingewechselt wurde. Anschließend ging es mit Denilson bergab. Wortwörtlich. Er stieg mit Sevilla ab, und versuchte sich später in so wichtigen Fußball-Stätten wie Saudi Arabien oder Dallas, USA, und konnte sich selbst dort nirgendwo mehr durchsetzen. Zuletzt spielte er drittklassig beim brasilianischen Verein Iumbiara. Seinen Abstieg hat das österreichische Fußballmagazin „ballesterer fm“ in lakonisch-ironischer Weise nachgezeichnet.

Das alles hat die Vietnamesen jedoch offenbar nicht gestört. Hier reichte das Label „Fußball-Weltmeister“ und „hochkarätigster Legionär der Liga-Geschichte“, um Verzückungen jenseits des Vorstellbaren auszulösen. In den Vorberichten wurden die Irrungen und Wirrungen Denilsons auch kaum erwähnt, stattdessen wurde immer wieder auf die WM verwiesen, oder darauf, dass Denilson zuletzt, oh!… ein paar Testspiele mit dem britischen Erstligisten Bolton Wanderers gemacht habe (wo er sich allerdings nicht durchsetzen konnte).

Verzückungen auf allen Seiten, wohlgemerkt, denn Denilson sollte etwa 50.000 Dollar pro Monat verdienen, ein Vielfaches dessen, mit was er zuletzt rechnen konnte. Anfang Juni wechselte Denilson offiziell zu „Xi Mang Hai Phong“, was „Zement Haiphong“ heißt, und bereits deutlich macht, wo wir uns befinden: Im Ruhrpott Vietnams, sozusagen. In der Industrie- und Arbeiterstadt Haiphong, mit dem größten Kohlebergbaugebiet gleich um die Ecke, und außerdem einem der wichtigsten Seehäfen der Region. (Zement Haiphong hat allerdings in den letzten sieben Jahren fünfmal seinen Namen gewechselt, je nachdem, welcher Sponsor gerade vor der Tür stand.)

Die Fans dort sind ohne Zweifel fußballverrückt (so wie die Vietnamesen eigentlich allgemein), was unter anderem dazu führte, dass der findige Club am 6. Juni flugs seine Eintrittspreise um mehr als die Hälfte (!) erhöhte, von etwa zwei Euro auf mehr als drei Euro.

Allerdings spielte Denilson dann am 6. Juni nicht, und Haiphong verlor sang- und klanglos mit 2:0 gegen Spitzenreiter Da Nang.

Begründung: Denilson fühlte sich nicht wohl. Er müsse sich erst noch an das Wetter in Vietnam gewöhnen. Außerdem sei es am Vorabend in seinem Hotel so laut gewesen. Und sein linkes Bein plage ihn auch noch. Von der Bein-Geschichte mal abgesehen klangen diese Begründungen schon damals ziemlich dämlich. Vor allem aber klangen sie so, als ob Denilson sich bis zum Tag seines Abflugs keine Zehntelsekunde mit Vietnam beschäftigt habe. Den Fans aus Haiphong war das jedenfalls auch alles zu wenig, und sie begannen im Stadion zu randalieren und Zeitungen anzuzünden, so dass die Feuerwehr anrücken musste. Ein geschockter Denilson erklärte anschließend: „Das Publikum ist so rasend hier. Ich hatte Angst.“ Möglicherweise hat er auch erst in diesem Moment begonnen, sich zum ersten Mal mit Vietnam zu beschäftigen. (Nebenbei bemerkt: Haiphong ist als Stadt zum Leben sicherlich in etwa so spannend wie…, sagen wir Heilbronn. Ein nennenswertes Angebot an „Szene“ oder Freizeit gibt es dort jedenfalls nicht.)

Es folgten zwei Wochen Katz- und Maus-Spiel. „Denilson wird spielen„, verkündeten die Zeitungen täglich, um dann beim folgenden Match zu erklären: Er wird doch nicht spielen. Immer wieder wurde eine geheimnisvolle Beinverletzung zitiert, die zusammen mit einem brasilianischen Doktor auskuriert werden sollte. Der Doktor hatte allerdings Redeverbot.

Und vergangenes Wochenende sah es dann endlich so aus, als würde sich alles zum Guten wenden: Denilson spielte! Endlich. Und: Er traf sogar. Gleich in der ersten Spielminute.

Zur Pause blieb Denilson dann in der Kabine. Begründung: Das Bein.

Das Bein ist es jetzt auch, das angeblich dafür sorgt, dass Denilson nach einem Monat wieder Richtung Brasilien fliegt. Er bat gestern seinen Club um Vertragsauflösung. Dafür erhält er immer noch stolze 10.000 Dollar, plus 15.000 Dollar für seine eine Halbzeit, die er auflief.

Was bleibt? Hoffentlich die Erkenntnis für vietnamesische Fans, dass große Namen nicht alles sind, und viele Brasilianer in der V-Liga offenbar mittlerweile ein Paradies zum Geldverdienen entdeckt haben. Und jede Menge glücklicher Leute. Nämlich die Trikotverkäufer, die zuletzt die Preise für Haiphong-Trikots mit dem Schriftzug „Denilson“ für das Zehnfache des normalen Preises verkauft haben. Es lebe der Kapitalismus.

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