Es sollte eine Interview-Übung für Radio-Journalisten werden. Geübt wurde: Interview mit einem Ausländer und Dolmetscher. Das ist nämlich gar nicht so einfach. Vor allem stellt sich dabei die wichtige Frage: Wohin mit dem Mikrofon? Ständig zwischen beiden hin- und her schwenken (schlechtere Tonqualität), oder lieber auf die Antwort des Dolmetschers verzichten (aber weiß man dann anschließend noch, was der Ausländer gesagt hat)?
Für die Übung brauchte es also einen Ausländer, und es brauchte ein paar Übungsfragen. Die Übungsfragen waren völlig belanglos, es ging ja nicht tatsächlich um ein Thema, sondern ums Üben.
Der Ausländer war, wie man sich unschwer denken kann, ich. Als Übungsfragen hatte ich mich eingestellt auf solche Dinge wie „Wie finden Sie Vietnam?“ oder auch, immer wieder gerne gefragt: „Wie gefallen Ihnen die vietnamesischen Frauen?“ Ich war schon dabei, mir zu überlegen, welche Schwierigkeiten ich für das Übungsinterview bei meinen Antworten einbauen könnte. Sehr kurz reden zum Beispiel, so dass anschließend die Übersetzung länger dauert, und beim Zusammenschneiden des Beitrags zu wenig Original-Ton vorhanden ist.
Dann kam die Frage. Sie lautete: „Deutsche Prostituierte bieten ja neuerdings Flatrate-Tarife für eine ganze Nacht an. Was sagen Sie dazu?“
Sämtliche Konzentration auf absichtlich konstruierte Schwierigkeiten in der Antwort war wie weggeblasen. Stattdessen machte sich eine sehr echte Schwierigkeit breit. Und die betraf folgende Themen: 1.) Wie bitte? 2.) Hab ich das grad richtig gehört? und 3.) Was bitteschön soll ich denn darauf antworten?
Ich versuchte es irgendwie abzufangen: „Äh, ja… ich bin grad nicht in Deutschland. Ich verfolge die Diskussionen dort nicht.“
Zweite Fragen: „Glauben Sie, das deutsche Männer von diesem Angebot profitieren werden?“
Mein Gegenüber meinte es also tatsächlich ernst. Er wollte mit mir vor versammeltem Kurs (inklusive hohem Frauenanteil) ein Gespräch über deutsche Bordelle, Flatrate-Sex und die sexuellen Vorlieben deutscher Männer führen. Nun habe ich ja bereits erwähnt, dass vietnamesische Männer das Thema Sex sehr lieben. Ich hatte auch schon mal Mutmaßungen angestellt, warum das so sein könnte. Das klärt allerdings nicht völlig die Frage, warum und vor allem woher vietnamesische Kursteilnehmer von deutschen Sommerlochthemen wissen.
An dieser Stelle also eine Warnung an deutsche Medien: Passt auf, über was ihr so alles berichtet. Es könnte im Ausland auf einer Seite „Vermischtes“ oder „Aus aller Welt“ landen. Und dann die Vorurteile über promiskure Deutsche bestätigen.
Jetzt wollen natürlich alle wissen, was ich geantwortet habe. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich darauf verwiesen, dass ich die gesamte Aktion für einen Werbegag und die künstliche Erregung von Aufmerksamkeit halte. An eines habe ich jedoch nicht mehr gedacht: Künstlich irgendwelche Schwierigkeiten oder Fallen für die Teilnehmer einzubauen. Ich war zu sehr mit meiner Antwort beschäftigt.