Ein G zu viel

Ein Autoren-Porträt auf Spiegel Online hat mich auf eine junge Frau namens Jenny-Mai Nuyen aufmerksam gemacht. Die schreibt offenbar Fantasy auf Deutsch, und soll damit recht erfolgreich sein. War mir bislang kein Begriff, allerdings lese ich seit einiger Zeit auch nur noch sehr selektiv Fantasy.

Jedenfalls sticht einem als Mensch in Vietnam sofort der Nachname der jungen Autorin ins Auge: Nuyen. Das sieht sehr vietnamesisch aus. Und auch wieder nicht. Es fehlt nämlich ein G: „Ngyuen“.

Des Rätsels Lösung: In der Tat hat Jenny-Mai Nuyen einen vietnamesischen Vater, wie die Biographie aufklärt. Mehr sogar: Eigentlich heißt sie „Jenny-Mai Nguyen“. Aber ihr Herausgeber hat sie offenbar überredet, das G für ihre Autorenkarriere fallen zu lassen.

Warum er das getan hat, habe ich leider nicht herausgefunden. Aber man kann ja spekulieren. Zum einen klingt Nuyen sicherlich einfacher als Nguyen. Die Deutschen kennen zwar im Gegensatz zu anderen Völkern die Kombination „ng“ (beispielsweise in „Gang“ oder „Verlangen“), aber nicht am Anfang des Wortes. Das macht vielen Deutschen Schwierigkeiten, dabei wird es ganz normal, mit beiden Buchstaben ausgesprochen: Nnnngggg…

Vielleicht wollte man auch das Vietnamesische nicht ganz so raushängen lassen, und hat sich (wir reden hier immerhin vom Fantasy-Genre) für die etwas mysteriöse Variante entschieden. Autoren legen sich ja gerne ein Pseudonym an, und es muss ja nicht gleich jeder Theobald Tiger heißen. Außerdem ist Nguyen kein sonderlich seltener Name. Im Gegenteil.

„Nguyen“ ist mit Abstand der häufigste vietnamesische Nachname. Er ist so etwas wie bei uns Schmidt, Meier und Huber zusammen. Nach Schätzungen tragen etwa 40 Prozent der Vietnamesen den Namen Ngyuen. In Melbourne ist Nguyen der zweithäufigste Name hinter Smith, und in Frankreich immerhin noch der 54.-häufigste Name.

Warum?

Hab ich mich lange Zeit auch gefragt. Wikipedia.com gibt ein paar Antworten. Es scheint so, als ob im 13. Jahrhundert die neu an die Macht gekommene Tran-Dynastie ihre Vorgänger von der Ly-Dynastie zwang, den Namen Ngyuen anzunehmen. Vermutlich, um ihre Macht im Land zu etablieren. Anschließend machte dieses Beispiel Schule, und tauchte immer wieder im Laufe der Geschichte auf: Menschen änderten ihren Namen in Ngyuen, um Verfolgungen zu entgehen. Als schließlich sogar eine Kaiser-Dynastie mit den Namen Nguyen an die Macht kam (1802), änderten viele Menschen ihren Namen in Nguyen, um Vorteile zu erlangen.

Namensänderungen scheinen also in vergangenen Jahrhunderten nicht sonderlich schwer gewesen zu sein.

Auch heute noch gilt im Alltag übrigens der Nachname als vernachlässigbar. Menschen stellen sich mit dem Vornamen vor. Sämtliche Vornamen müssen bei offiziellen Geschäften angegeben werden, um Verwechslungen zu vermeiden. Eine Sache, die Europäern eher Kopfzerbrechen bereitet.

Womit wir wieder bei Jenny-Mai wären. Deren Bücher habe ich zwar wie gesagt noch nicht gelesen, aber allein für die wunderschön gestaltete Webseite (deren Bilder sie selbst gezeichnet hat), verdient sie Applaus.

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