Hysterie für Korea

Am Samstag gab es hier in Hanoi ein großes MTV-Konzert unter der Abkürzung „Exit“. Gemeint war damit der Satz „End X-ploitation and Trafficking“, also eine Kampagne gegen Menschenhandel. Wobei das den feiernden Massen vermutlich egal war. Hauptsache Musik. So zumindest schildert es eine, die es wissen muss, nämlich eine Mitarbeiterin von einem Info-Stand, die vor Ort (am Hanoier Nationalstadium) Flugblätter gegen Menschenhandel verteilen wollte.

Sie kam nicht dazu.

Als die Tore geöffnet wurden, stürmte eine wilde Masse an Menschen so kreischend und hysterisch durch die Eingänge, dass alle Info-Mitarbeiter panisch die Flucht ergriffen. Angeblich sollen bei dem Ansturm mehrere Zuschauer ihre Schuhe oder ihre Gürtel (?!) verloren haben, und es kam zu mehreren Prellungen und Schnittwunden.

Der Grund war nicht etwa eine US-Band, noch nicht mal eine vietnamesische Gruppe, sondern eine koreanische. Sie hört auf den Namen „Super Junior„. Ein Name, den sich die meisten Europäer nicht merken konnten, weil sie noch nie von der Gruppe gehört hatten. (Zitat: „Irgendwas mit Super… Supertram oder Super Trouper oder so.“)

Die Vietnamesischen Jugendlichen hatten ganz offensichtlich von der Gruppe gehört, zu ähnlichen Massenhysterien wie im Stadion kam es unter anderem auch bei der Ticketvergabe. Die Tickets waren frei. Die Veranstalter hatten vor einer der öffentlichen Vergaben angekündigt: Leute, wir haben 1000 Tickets dabei, ihr seid nur ein paar hundert Leute hier, keine Hektik, jeder bekommt ein Ticket.

Half nur nichts.

Am Ende mussten die Veranstalter die Tickets per Motorrad „flüchten“ lassen und einen Ort organisieren, an dem man Warteschlangen organisieren konnte, ohne dass sich die Wartenden gegenseitig in den Arm beißen (!?).

Etwas ähnliches passierte mir auch auf der Hochzeitsfeier, zu der ich vor einem Monat auf den Philippinen eingeladen war. Zu fortgeschrittener Stunde tanzten und sangen die gesamten Gäste lauthals zu einem Lied, das ich nicht kannte. Alle Gäste: Filipinos genauso wie Japaner, Chinesen, Singapuris, Indonesier… was halt so an bunten asiatischen Gästen vertreten war. Ich ging also davon aus, dass es irgend eine US-Band ist, die in den letzten zwei Jahren populär wurde. Tatsächlich habe ich den Überblick über Popmusik fast komplett verloren. In Deutschland entkommt man ja gewissen Partyhits nicht, selbst wenn man es wollte. In Vietnam bekommt man aber wenig mit, zumal ich auch kein Musikradio mehr höre.

Da mir der eingängige Refrain noch zwei Tage später im Kopf herumging, suchte ich im Internet nach der Gruppe, und fand heraus: Das Lied ist offenbar in Deutschland völlig unbekannt. (Es lag also nicht an meiner Pop-Ignoranz.) Genauso wie die Gruppe, mit dem allerdings austauschbaren Namen „Wondergirls„. Das Lied kann man sich hier auf Youtube in der englischen Version anschauen, wobei das Musikvideo allerdings eine Geschichte erzählt, und das eigentliche Lied erst bei 2:00 Minuten anfängt.

Nun ist es natürlich nicht weiter verwunderlich, dass in anderen Ländern auch andere Musikgruppen die Hitlisten stürmen. Ich habe das bislang aber immer eher als ein nationales Phänomen gesehen. Da die einschlägigen britischen, kanadischen und amerikanischen Popgrößen auch hier rauf und runter dudeln, bin ich niemals vorher auf die Idee gekommen, dass auch Koreaner und Japaner zu regionalen Stars werden. Regional heißt in dem Fall: Von Japan über China bis nach Indonesien, wir sprechen also von gut zwei Milliarden Menschen.

4 Responses to Hysterie für Korea

  1. m says:

    Auf Asia-Partys in Deutschland ist solche Musik auch angesagt. Und in Asialäden wird die vertrieben. Manche Asiaten nehmen auch mal nichtasiatische Freund/innen mit zur Party.

  2. shiro says:

    Koreabands hört man wirklich überall in Asien.
    Und das ist noch nicht alles. Soaps wie Kgotboda Namja – Boys Over Flowers sind mega angesagt. Bei mir in der Schule (vietnam) wurde in der Pause immer ein koreanisches Musik- Video oder Teile eben dieser Soap über den Beamer geschaut. Echt verrückt! Aber mit der Zeit lernt man es lieben.

  3. Oliver Beckmann says:

    Du kennst Super Junior nicht? Tzzz, Ignorant! ;)

  4. Lukas Rogée says:

    hi David,
    ich hab eine vietnamesische Freundin und die fährt total ab auf koreanische Musik. Hört sie den ganzen Tag rauf und runter.
    Super Junior is da nur die Spitze des Eisberges oder so. Zu Wondergirls hat sie sogar eine Choreografie gelernt. Sie tauscht sich auch mit anderen Vietnamesinnen aus der Gegend darüber aus. Diese Koreabands sind also sogar bei den lieben Vietnamesen in Deutschland unheimlich angesagt. Und Boys over Flowers haben wir auch komplett durch.
    LG

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