Frühaufsteher

Journalisten sind keine Frühaufsteher. Das gehört zur Jobbeschreibung. Und wenn man mal von jenen absieht, die Arbeitsstellen wie „Frühstücksfernsehen“ oder „Morning-Show“ haben, dann ist das auch logisch. Schließlich soll beispielsweise in der Zeitung am nächsten Tag alles stehen was am Vortag passiert ist, da kann man die Redaktion nicht schon um 17 Uhr schließen. Wenn man sie aber nicht um 17 Uhr schließt, dann gibt es auch keinen Grund, um 7 Uhr da zu sein.

Deswegen hatte ich früher, wenn ich um, sagen wir 9 Uhr, bei der Arbeit aufgetaucht bin, auch desöfteren Nachrichten auf dem Anrufbeantworter die lauteten: „Hallo, mein Name ist Rübenschmidt von der Pressestelle des Bibliotheksverbands. Ich versuche Sie schon seit zwei Stunden anzurufen, offenbar sind Sie nicht am Platz. Auf Wiederhören.“

Ho Chi Minh muss das gewusst haben. Als er im Sommer 1946 nach Paris flog, um mit den Franzosen zu verhandeln, war er ein gefragter Mann, vor allem bei den Journalisten. (Bei den Verhandlungen ging es um den künftigen Status von Vietnam. Die Vietnamesen waren offiziell bereit, eine Zeit lang Teil der Französischen Union zu bleiben, wollten aber am Ende dieses Prozesses die Unabhängigkeit. Für die Franzosen kam Unabhängigkeit gar nicht infrage, stattdessen waren sie höchstens bereit über den Grad der Autonomie innerhalb einer Union, der französischen Variante des Commonwealth zu verhandeln.)

Um also irgendwie dem Trubel Herr zu werden, erklärte Ho Chi Minh allen, die ein Interview haben wollten, er könne sie um 6 Uhr zum Frühstück treffen. In den Tropen sei man es gewöhnt, früh aufzustehen.

6 Uhr.

Journalisten.

Ich bin sicher, er hatte anschließend verhältnismäßig wenig Anfragen.

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