Dicke Koffer

Es gehört in Vietnam zum guten Ton, von Reisen Geschenke für die Daheimgebliebenen mitzubringen. Das umfasst nicht nur Eltern und Freunde, sondern auch den weiteren Familienkreis und vor allem das Büro. Auf Bustouren quer durch Vietnam, auf Tagesausflügen ins Umland oder ähnliches, wird deshalb immer gerne auf dem Rückweg gestoppt, und ein Straßenhändler wird vom versammelten Bus um mehrere Kilo Ware erleichtert, meist regionale vietnamesische Spezialitäten, frische Früchte, frisches Gemüse. Gerne auch mal ein noch lebender Hahn.

Das gleiche gilt auch für Reisen ins Ausland.

Lebende Hähne sind im Flugzeug Tokio-Hanoi zwar nicht so leicht zu transportieren, aber dafür umso mehr Kosmetik- und Drogerie-Artikel. Die Koffer von befreundeten Vietnamesen waren voll davon. Es war mehr als nur Geschenke, es waren regelrechte Vorratsberge.

Das verblüfft insofern, als man die japanische Kosmetik-Marke Shiseido auch in Hanoi bekommt (wenngleich auch zu wesentlich knackigeren Preisen), und die vietnamesischen Drogerieläden prinzipiell ganz gut ausgestattet sind (sieht man mal vom „Whitening“-Effekt bei fast allen Produkten ab, aber das wollen die Vietnamesen ja so).

Der Grund fürs Hamstern von ausländischen Produkten ist in dem Fall ein anderer: In Vietnam geht die Angst um, dass vietnamesische Zwischenhändler oder lokale Produzenten ausländischer Marken die Produkte panschen. Wieviel Shiseido ist tatsächlich in der Creme drin? Und wieviel original irischer Whiskey steckt tatsächlich in der Flasche? Hat da nicht vielleicht ein findiger Vietnamese die Häflte abgezwackt, um mehr Geschäft zu machen, und den Rest mit billiger vietnamesischer Produktion aufgefüllt?

Zwar tragen alle entsprechenden Produkte Gütesiegel, die ausweisen, dass eine Flasche oder Tube direkt aus dem Ausland kommen, aber auch das verfängt bei den Einheimischen nur wenig. „Kann man doch leicht fälschen“ oder „Muss man einfach nur den entsprechenden Beamten bestechen“ lauten die Verdächtigungen.

Deshalb das große Rennen auf Originale aus dem Ausland. Neuester Renner seit einiger Zeit: Milchpulver aus dem Ausland. Der chinesische Milchpulverskandal hat auch hier seine Spuren hinterlassen, und mindestens eine vietnamesische Firma wurde ja bekanntlich ebenfalls unseriöser Praktiken überführt. Milchpulverdosen sind dummerweise ziemlich groß, genauso wie Haarshampoo und ähnliche Dinge schnell beachtliche Ausmaße und Gewicht annehmen können.

Die Koffer der Stewardessen und Flugbegleiter schienen übrigens, wie beim letzten Rückflug von Deutschland, mal wieder am größten. Mit Ausnahme der einen Flugbegleiterin, die Japanerin war (Vietnam Airlines hat offenbar wegen der schlechten Englischkenntnisse der Japaner oder aus dem Wissen heraus, dass besonders viele Japaner die Flüge nutzen, auf seinen Japanflügen standardmäßig immer mindestens eine japanische Begleiterin an Bord).

Dafür hantierten die Japaner auf dem Hinflug nach Tokio dann mit besonders vielen großen vietnamesischen Strohhüten herum. Die sind zwar nicht schwer, können aber ganz schön sperrig werden.

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