Keine Anklage

Im April wurde in Mittelvietnam, in der Provinz Quang Binh, eine Frau vergewaltigt. Sie zeigte die Tat gleich am nächsten Tag an, und kurz darauf verhaftete die Polizei drei Täter, die alle geständig waren. Einfacher Fall?

Nein. Die Provinzverwaltung weigert sich strikt, die Männer anzuklagen. Begründung: Die Frau war vier Jahre zuvor noch ein Mann, und hatte sich 2006 einer Geschlechtsumwandlung unterzogen. In ihrem Pass aber steht als Geschlecht immer noch „männlich“ (bürokratische Mühlen können in Vietnam sehr, sehr langsam mahlen, vor allem wenn es um Papierkram geht). Damit sei sie eben de facto männlich. (Schon das ist eine durchaus seltsame Feststellung.) Ein Mann aber, Achtung!, könne laut Aussage der Provinzpolitiker gar nicht vergewaltigt werden. Geht gar nicht. Das Gesetz schütze nur Frauen. Ergo: Keine Anklage. Fall geschlossen.

Im Klartext: Nach Interpretation der Provinzpolitiker wären auch die sich jüngst in Deutschland ereigneten Übergriffe auf der Nordseeinsel Ameland quasi nicht existent. Männer können schließlich nicht vergewaltigt werden, wo kommen wir denn da hin?

Der Anwalt der Frau kontert jetzt mit einer alten Juristenweisheit: Ein Blick in die Gesetze erleichtert die Rechtsfindung. In Paragraph 111 des vietnamesischen Strafgesetzes („Vergewaltigung“) heißt es nämlich, eine Vergewaltigung werde definiert dadurch, dass der Täter „Gewalt benutze […] um Geschlechtsverkehr mit einem Opfer gegen den Willen des letzteren zu haben“. Von männlichem oder weiblichem Geschlecht ist nicht die Rede. Auch Paragraph 113 („Erzwungener sexueller Verkehr“) spricht nicht von Männern oder Frauen.

Ob das die Provinzbeamten jedoch überzeugt, steht wohl auf einem anderen Blatt. Was sind schon Gesetze wert, wenn sie gegen meine stumpfsinnigen Überzeugungen verstoßen?

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