Es geht los

Gestern war der erste Oktober. Auftakt für ein Ereignis, „wie es nur einmal alle tausend Jahre vorkommt.“ Das zumindest will uns die Eigenwerbung weismachen. Die Rede ist von der Tausend-Jahr-Feier für Hanoi.

In den kommenden zehn Tagen wird es ein riesiges Programm in und rund um Hanoi geben, jeden Tag sind Veranstaltungen, Eröffnungen, Konzerte geplant. Die Stadt hat ein umfangreiches Regelwerk herausgegeben, zu welchen Zeiten welche Straßen für welche Fahrzeuge gesperrt sein werden (zum Beispiel „Lastwagen und lastwagenähnliche Fahrzeuge“).

Die ersten Auswirkungen ließen sich schon gestern Abend spüren. Auf dem Fußweg nach Hause von der Redaktion in die Wohnung war plötzlich die Hölle los. Normalerweise sind die Straßen südlich des Hoan-Kiem-Sees in den Abendstunden recht frei, diesmal strömte alles zum Stadtzentrum. Es gab Staus, und wie bei Staus üblich wurde auch wieder die vietnamesische Verkehrsregel angewandt „wenn auf der Straße Stau ist, dann dürfen die Mopedfahrer auf den Bürgersteig ausweichen, und wild hoch und runter fahren, und so die Situation nochmal verkomplizieren, bis auf den Bürgersteigen überall auch Stau ist“.

Dabei werden viele Gäste vor Ort vermutlich wenig sehen außer Menschen, Menschen, Menschen. Dass Massenveranstaltungen einer sorgfältigen Planung bedürfen, hat ja auch Deutschland dieses Jahr tragisch zu spüren bekommen. Ich kann mir bei aller Liebe und aller Phantasie eine „Planung“ für das Hanoier Stadtzentrum nicht vorstellen.

Beispiel: Modenschau. Es soll an der berühmten Roten Brücke des Hoan-Kiem-Sees im Zentrum eine Modenschau des vietnamesischen Nationalkostüms Ao Dai (gesprochen: Ao Sai) stattfinden. Dabei werden die Models die Brücke als Laufsteg benutzen. Schöne Idee. Nur wer kann da zusehen? Neben dem Laufsteg ist Wasser, und vom Ufer aus dürften die hübschen Frauen ziemlich klein aussehen. Und so viel Ufer ist da nun auch nicht. Möglicherweise werden Leinwände aufgestellt, aber extra hinzufahren, um dann Leinwand zu gucken ist ein bisschen widersinnig.

Hinter einigen anderen Veranstaltungen stehen ebenfalls Fragezeichen, bei denen man sich fragt, wer sich das ausgedacht hat. Es soll einen Marathon geben. Gerüchteweise wird er ausschließlich um den Hoan-Kiem-See führen. Ich hoffe, das ist ein Irrtum, sonst kippen die Läufer spätestens bei der 30. Runde wegen Drehwurms schwindlig um.

Nichtsdestotrotz: Vietnamesen neigen bei solchen Dingen glücklicherweise weder zu Beschwerden noch zu Gemecker, sondern sind einfach froh „irgendwie dabei zu sein“. Eine sehr, sehr dichtgedrängte Menge mit vielen lachenden Gesichtern und haufenweise gezückten Handy-Kameras, um ein Model in einem Kilometer Entfernung zu fotografieren sind also garantiert.

Höhepunkt und feierlicher Abschluss dann am 10. Oktober. Dass es die größten Feiern für die nächsten tausend Jahre werden, glaube ich aber dann doch nicht. Spätestens für den 1010. Geburtstag fällt bestimmt irgendwelchen Leuten wieder ein, dass das ja noch eine viel, viel schönere Symbolik hat. Wir sprechen und also in zehn Jahren wieder. Nur mit dem Datum gibt es dann wohl Probleme.

Einen 20.20.2020 gibt es nämlich nicht.

4 Responses to Es geht los

  1. yeuem says:

    Beispiel: Modenschau. Es soll an der berühmten Roten Brücke des Hoan-Kiem-Sees im Zentrum eine Modenschau des vietnamesischen Nationalkostüms Ao Dai (gesprochen: Ao Sai) stattfinden. Dabei werden die Models die Brücke als Laufsteg benutzen. Schöne Idee. Nur wer kann da zusehen? Neben dem Laufsteg ist Wasser, und vom Ufer aus dürften die hübschen Frauen ziemlich klein aussehen. Und so viel Ufer ist da nun auch nicht. Möglicherweise werden Leinwände aufgestellt, aber extra hinzufahren, um dann Leinwand zu gucken ist ein bisschen widersinnig.

    Ich versteh Deine Aufregung überhaupt nicht dazu.
    Wozu gibts VTV1 mit seinen Live_Übertragungen ???
    Ich hätte mir da rechtzeitig einen Platz z.B. oben im Hapro_Cafe besorgt oder nebenan. Du hast ja Internet, dann kannst auch nachschauen, diese „Modelshow“ auf der Brücke.
    ?êm lung linh H? G??m
    http://media.tuoitre.vn/#Media,40037

    Ansonsten, sind Deine Beiträge immer recht informativ, also auch interessant, weil man zwischen den Zeilen vieles erkennen kann, das wahre Leben in und um Ha Noi;
    nur oft denke ich, Du bist schon zu lang in Ha Noi. Ich hoffe mal man BILDet sich immer in eigener Sache.

  2. yeuem says:

    Es gibt jetzt eine Thang Long Superschnellstraße zwischen HaNoi und Hoa Binh , 30km und 6spuren

  3. ngungon says:

    Kann man zu lange in Hanoi sein?

    Angesichts des Massenandrangs zum Fest bin ich nicht davon ausgegangen, dass auf den oberen Cafe-Etagen rund um den See noch irgend etwas frei ist, musste mich aber von den Erzählungen von Bekannten eines Besseren belehren lassen.

    Ich habe mein Entsetzen ja im folgenden Beitrag auch bereits wieder etwas relativiert.

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